Die Anzahl der Verstorbenen zu Wienn / mit beygefügter Ermahnung an die Lebendige.

[320] Das Wiennerische Lazareth / wie allgewöhnlich / ligt ausser der Statt / gegen Nidergang der Sonnen / bey einem rinnenden Wasser mit Namen Alsterbach / vnd ist also bequemlich gebaut / das der Lufft / vnd durchstreichende Wind selbes aller Seyten reinigen kan / in mitten dessen stehet ein schön erbaute vnd grosse Caipellen / allwo der Heilige GOttes-Dgenst nach Christlichen Gebrauch täglich[321] gehalten wird; obgedachtes Gebäu ist neben vielen Bedienten-Zimmer absonderlich mit grossen Haubt-Stuben versehen / benanntlich / S. Salvator-Stuben / S. Maria-Stuben / S. Rochi-Stuben / S. Sebastiani-Stuben / S. Joannis-Stuben / S. Rosalia-Stuben / S. Joseph-Stuben / S. Anna-Stuben / S. Magdalena-Stuben / die Schutz-Engel-Stuben / S. Antonij-Stuben / S. Dominici-Stuben / S. Ignatij-Stuben / S. Xaverij-Stuben / S. Joannis DEI-Stuben; weilen nun die leydige Sucht dergestalten gewachsen vnd zugenommen / das dises allgemeine Lazareth für die Krancke viel zu eng vnnd vnfähig erkennt worden; Also hat die wachtsambe Obrigkeit das neue vnd grosse Contumatz-Gebäu in ein neues Lazareth verkehrt / deßgleichen ist auch in der Leopoldstatt ein besonders auffgericht worden /wie nicht weniger in anderen Vorstätten solche gehörige Vorsichtigkeit[322] geschehen; Seynd demnach in den Lazarethen / in den Häuseren / in den Gärten / auff den Gässen / in den Hütten / in der Wiennstatt / in den Wiennerischen Vorstätten dises Anno 1679. Jahr innerhalb 6. Monat durch die Pestilentzische Seuch fast auff die Siebentzig Tausend Menschen dahin gerissen worden / wie man von hoher Obrigkeit gewissen Bericht dessen erhalten / vnd trifft dahero keines Weegs mit der Warheit zu / die erdichte grosse Summa / welche der gemeine grundlose Ruff allenthalben außgebreit: Es ist leyder diß ein grosse Anzahl / ein merckliche Straff / ein vnbeschreibliche Tragedi, ein vnaußlöschliches Angedencken / ein ewiges Mercks-Wienn.

Vor einem halben Jahr / auß disen so viel tausend Persohnen / ist vielleicht nicht ein einige gewest / die ihr hätte ein so geschwinden Todt eingebildet;[323] Aber last es euch ein Witzigung seyn ihr Menschen-Kinder vnd gedencket fein / das der Todt gewiß / die Stund deß Todts vngewiß.

Heut stehest holdseelige Damavnter lauter Edlgstein / vielleicht morgẽ oder übermorgen wirstu schon liegen vnter dem Gtabstein; hoch vnd sinnreicher Kopff / heut heist man dich ein Doctor, vielleicht morgen wirst du heissen ein Todter; reicher Kauff-vnd Handelsmañ / heut stehest du vnter gantz Ballen deß köstlichen Tuch / vielleicht morgen liegst du schon vnter dem Bar-Tuch; Baur vnd Ackersmañ /heut grabst du auff dem Acker / vielleicht morgen grabt man dich in den Gotts-Acker / ihr Schlemmer vnd Demmer / heut heist es noch bey euch / geseng GOTT / morgen vielleicht / tröst euch GOTT; auch ihr Geistliche seyd dißfals nicht befreyt / heut seyd ihr geistlich / morgen vielleicht schon ein Geist; Hätt euch bald vergessen ihr Hoffleuth / ihr[324] prangt heut zu Hoff / morgen vielleicht auff dem Freythoff; Derohalben dann seyd alle Augenblick bereit zu der vngewissen Todt-Stund / vnd spart die Buß nicht auff die letzt.

Balthasar der König / nachdem er den Tempel Gottes beraubet / vnd ein kostbahres Panquet angestellt /da nun die Gläser lähr / die Köpff voll / kombt ein Gesandter von GOtt / vnd deutet dem König den Todt an / wer hats vermeint? Amon der Königliche Printz ist bey der Mahlzeit nichts als frölich gewesen / wie dann der Wein ein Arrest ist der Melancholey / siehe /als er den Becher in den Händen haltet / muste seyn Leben herhalten / wer hats vermeint? Ecolompadius stirbt vhrplötzlich im Beth / wer hats vermeint? Carolus König zu Navarra, verbrinnt in Feuer / wer hats vermeint? Zu Wienn seynd dises Jahr so viel tausend gestorben / wer häts vermeint? Niemand; So ist dann das[325] Jahr / das Monath / der Tag / die Stund / der Augenblick vngewiß / deßwegen O Menschen Kinder! haltet jederzeit den Todt vor Augen / vnd lasset dessen Gedächtnuß nimmermehr in euch erlöschen /spart die Buß nicht biß in das Todt-Bethl.

Von der grossen Büsserin Magdalena schreibt der Evangelist / daß sie die Allabaster Büchs / worinn die köstliche Salben / habe mit Fleiß zerbrochen / Fracto allabastro: Also ist auch mein hertztreuister Rath ihr Menschen / so fern ihr etwann eine Sparbüchsen für die Buß habt / brecht diselbige / spart doch nicht ein Viertl Stund euer Buß auff / zumahl nicht ein Augenblick von der künfftigen Zeit in euer Macht stehet.

Christus der HErr ist gesessen bey dem Brunnen /vnd mit der Samaritanin geredt / das Volck ist gesessen auff dem Heu in der Wüsten / Elias der Prophet /als er von dem schlimmen[326] Weib Jezabel geflohen / ist gesessen vnter einer Cronabett / Salomon ist gesessen auff einem hohen königlichen Thron / Mardocheus der fromme Jud ist gesessen vor dem Pallast deß Königs Assueri / der gedultige Job ist gesessen auff dem Misthauffen / Mattheus damahls noch ein Gelt vnd Gold-Egl vnd Igl ist gesessen auff der Zollbanck / Petrus ist gesessen in dem Vorhoff deß Hohenpriesters /eh ihn noch das Weibl Hertzloß vnd treuloß gemacht /der Blind / welcher die Hülff JEsu von Nazareth deß Sohns David gebeten / ist gesessen auff dem Weeg /Magdalena ist gesessen bey den Füssen deß HErrn /vnd hat das Wort Gottes angehört / Joannes vnd Jacobus wolten sitzen mit Christo in seinem Reich / etc. möcht einer fragen / wo sitzt der böß Feind? Antwort; Nicht auff einem Sessel / nit auff einem Stein / nit auff einem Stuhl / nit auff einem Block / sondern auff einer langen[327] Banck / vnd allda ertapt er die meiste vnglückseelige Seelen / dann die jenige / so ihr Buß /vnd Pœnitenz auff die lange Banck schieben / gerathen gemeiniglich in die Händ deß Höllischen Erbfeinds; weil den Sitz im Himmel GOtt dem Lucifer nicht vergunt / auß Ursachen / daß er ihn gar zu hoch gestellt / Similis ero Altissimo, also hat dem Himmel zu Trutz / der Höllische Neid-Vogel die lange Banck auffgebracht / auff welche die vnbesonnene Adams-Kinder ihre Buß schieben / vnnd hierdurch der vnglückseeligen Menschẽ ewiges Heyl verschertzt wird.

Mit Erlaubnuß deß Allerhöchsten / klopff ich an der Höll an / vnd forsche auß einem oder dem andern die Ursach seiner Verdamnuß / sag her / der du dorten mitten vnter den feurigen Schlangen vnnd Atern sitzest / auch diser elendiglichen Gesellschaff auff Ewig nicht mehr entgehen kanst / eröffne[328] mir die Ursach deines Verderbens? ich / antwort er / bin den üppigen Wollüsten ergeben gewest / vnd dem stinckenden Venus-Luder nachgesetzt / hab mir aber vorgeno en /ich wolle schon einmahl solches Höllkeder verlassen /vnd die gebührende Buß ergreiffen / bin aber vnverhofft ermort worden / ist demnach das Auffschieben auff die lange Banck die Ursach meines Ewigen Verderbens / O Ewig! Sag her / der du alldort in dem zerlassene Metall / wie ein Arbes in einem siedenten Hafen empor strudlest / was hat dise deine Verdamnuß verursacht? Antwort; Ich hab ein lange Zeit / ein vnaußlöschlichen Haß getragen gegen einem / jedoch mir vorgenommen / im Todt-Bethl einmahl denselben ablegen / vnd mich mit GOTT vnd dem Nechsten versöhnen / bin aber vhrplötzlich an einem Steck-Cathar gestorben / vnd also Ewig verdorben /ist dessenwegen die Ursach meines Ewigen Unheyls[329] das Auffschiebẽ auff die lange Banck. Sag her / der du mitten in den Flammen wie ein Salamandra brinnest / wer hat dich in dise vnendliche Peyn gestürtzet? Ach antwort er / ich hab der verführenden Welt-Regl nachgelebt / vnnd allen leiblichen Sinnlichkeiten den freyen Paß zu aller Frechheit erstatt / ich hab aber diß kräfftige Vorhaben geschöpfft / so ich werde alte Jahr vnd Haar erreichen / mich zubessern / vnd so dann gebührende Buß würcken / bin aber vnverhofft von der Pest ergriffen worden / wardurch mir der Verstand verruckt / vnd folgsamb vnbereiter gestorben / dahero die Ursach meines ewigen Unheyls / das Auffschieben auff die lange Banck dise Antwort geben mir viel hundert tausend armseelige verdambte Seelen. O wie wahr ist es was der Poet sagt:


Das Raben Cras, hat schon den Paß /

Vielen zum Heyl verschlossen /[330]

Der schli e Morgen / vnd lange Borgē

Hat viel zur Höll gestossen.


Gesetzt aber / O bedörte Gemüther / daß ihr von dem gähen Todt nicht hingerissen werdt / sonder in dem Todt-Bethl noch ein Zeit gewiñet zur Buß / so müsset ihr doch für ein vnableinliche Warheit halten /das dergleichen auffgesparte Reu gar selten vor dem Angesicht GOttes gültig ist / dann es spricht mein Heiliger Ertz-Vatter Augustinus, ›die Buß eines Krancken vnd Schwachen / förcht sie seye auch schwach / die Buß eines Sterbenden / förcht sie sterbe gleichmässig;‹ Pænitentia, quæ ab Infirmo petitur, infirma est, quæ â moriente petitur, timeo ne & ipsa moriatur. Lib. 5. hom. 41. Dann wann du damahl erst in dem Todt-Bethl wilst Buß thun / da du nicht mehr sündigen kanst / so haben dich die Sünden verlassen /vnd du nicht die Sünden. GOtt hat in seinem Alten Testament[331] allerley Thier für beliebige Opffer angenommen / allein die Fisch hat er geweigert / auß Ursachen / weil man dieselbe nicht lebendig könnte in den Tempel zu Jerusalem bringen / todte aber vnd abgestandene Fisch dörfften für seinen Augen nit erscheinen; also auch schwache krafftlose vnnd gleichsamb todte Pœnitenz vnd Buß im Todt-Bethl / ist dem Göttlichen Angesicht ein mißfälliges Opffer; Deßgleichen hat auch der allerhöchste GOtt von seinem Opffer den Schwanen außgeschlossen / ob schon der Schwan mit seiner weissen Farb als einer Englischen Liberee gar füglich pranget / dannoch konte er vnter die GOtt gewidmete Opffer nicht gezehlt werden /vmb weil diser gefiederte Gesell ein Sinnbild vnd Abriß ist eines Sünders / der seine Bekehrung in das Todt-Bethl spahret / dann der Schwan die gantze Lebens-Zeit stillschweiget / vnd nur singet / wann er auffhört zu leben: Es[332] ist aber mein gäntzliche Aussag nicht / das ein jede in das Todt-Bethl gesparte Bekehrung vngültig ablauffe / zumahlen gar zu wohl bekant der jenige Dismas, welcher zu der rechten Seyten Christi gehenckt / vnd dannoch den rechten Weeg zum Himmel antroffen / aber auß tausend / auß zehen tausend gerath es keinem also glücklich wie disem /sonder wie das Leben / ist der Todt eben; derohalben dann spart die Buß nicht in das Sterbstündl / in welchem kaum der Gerechte wegen vngestümer Nachstellung deß bösen Feinds obsiget / dann vnbeschreiblich scheinet es / was ein Sterbender auch ein Gerechter vnd Gewissenhaffter für Trangsalen außstehet.

Wie die Eva so vnbedachtsamb sich von der höllischen Schlangen hat lassen vergifften / hat GOtt in dero Gegenwart die gröste Boßheit deß bösen Feinds entdeckt / ›mit disen Worten / Tu insidiaberis calcaneo ejus,‹ du[333] Höll-Schlangen wirst der Eva / vnnd ›was ins künfftig von ihr herstammen wird / ihren Fuß-Fersen nachstellen;‹ ein Wunder! vnd noch einmahl ein Wunder! Viel ehender hätt ich vermeint / der leydige Satan wurde nachstellen deß Menschens Augen / dann mit den Augen versündiget man sich nicht wenig / Augen seynd sie dann nicht gläserne Liebsbotten? Augen seynd sie dann nicht heisse Brenn-Gläser? Augen seynd sie dann nicht Cristallene Kupler? Den David vmb Bericht; Dazumahl / als er die Bersabea vnziement angeblickt; Ich hätte vermeint / der Lucifer solte ehender den Ohren deß Menschen nachstellen / dañ mit den Ohren versündiget man sich nicht wenig / wann man vngereimbte Reim singet /wie gern hört mans? Wann man deß Nechsten Nahmen stimplet vnnd stimlet / wie gern hört mans? Ich hätte vermeint / der böse Feind wurde ehender nachstellen dem[334] Mund deß Menschen / als den Fuß-Fersen? Dann mit dem Maul versündiget man sich zum mehristen / das Maul ist ein Hafen / worin alle Vnwarheiten gekocht werden / das Maul ist ein Gwölb / wo die Fluchwort ohne Maß verkaufft werden; Oder ich hätte vermeint / als solte der böse Feind den Händen deß Menschen mehristen nachstellen /dañ mit wem duelliert man? Mit wem trapuliert man? Mit wem spoliert man? Als mit den Händen? Oder ich hätte vermeint der böse Feind solte nachstellen deß Menschẽ? seinem Hertzen / dañ die böse Gedancken wachsen auff dem Acker deß Hertzens / der Neyd logiret in dem Quartier deß Hertzens / die schnöde Lieb brind ja auff dem Herdt deß Hertzens / der Zorn wird abgeschossen von dem Bogen deß Hertzens. Tu insidiaberis calcaneo ejus. Warumb soll dann die höllische Schlangen den Fuß-Fersen deß Menschen so starck nachstellen?[335] Versündiget sich doch niemand weniger als mit den Fersen? Allhie ist zumercken /das nicht alles dem Buchstaben nach in Göttlicher Schrifft außzulegen ist / dann sonsten müsten fast alle Menschen auff Krucken hincken / weil die H. Bibl also lautet / wann dich dein Fuß ärgert / so schneidt ihn ab: sonder es hat zum öfftern der H. Geist vnter der Schalen solcher Wort / den Kern der grösten Geheimnuß verborgen: In deme dann GOtt von der höllischen Schlang redet / daß selbige deß Menschen Fuß-Fersen werde nachstellen / so ist hierdurch nicht der vnterste Theil der Füß angedeut / sonder wie es weißlich außleget Lorinus, durch die Fersen / als der letzte Theil deß Menschlichen Leibs /wird verstanden das letzte Sterbstündl deß Menschen / vnd disem stellet der Satan zum hefftigsten nach /vnnd in solchem letzten Streitt[336] wendet er alle Kräfften an / den armen Sterbenden zustürtzen.

O vnbeschreibliche Aengsten in dem Todt-Bethl! So bald deß Menschen letztes Stündl herbey nahet /so vmbgeben vnverzüglich die höllische Larven das Bethl / nicht anderst / als wie die Geyr ein Tauben /nicht anderst / als wie die Hund ein Hasen / nicht anderst / als wie die Raben ein Todten Aß / vnd da ist kein Gewalt / den sie nicht probieren / kein List / den sie nicht versuchen / kein Weiß / die sie nicht annehmen / kein Schrocken / den sie nicht verursachen /kein Abscheuligkeit / die sie nicht anziehen; da zeigen sie dem armen Sterbenden alle Tag / alle Stund / alle Augenblick / die er gelebt hat; zum Exempel / es ist ein Sterbender / welcher gelebt hat dreyssig Jahr /dem werden die böse Feind zeigen / zehen tausend /neun hundert vnd fünfftzig Tag; sie werden ihm zeigen zweymahl hundert tausend /[337] zwey vnd sechtzig tausend / vnd acht hundert Stund; sie werden ihm zeigen fünffmahl hundert tausend / fünff vnd zwantzig tausend / sechs hundert halbe Stund; sie werden ihm zeigẽ zehenmahl hundert tausend / ein vnnd fünfftzig tausend / zwey hundert Viertel Stund / ja so gar werden sie dem Sterbenden vor Augen stellen fünffzehen tausendmahl tausend / sibenmahl hundert tausend /vnd acht vnd neuntzig tausend Augenblick oder Minuten; vnd ein jedem gantz genau vortragen / was er in demselben Augenblick gethan / vnd was er zuthun vnterlassen; Die gute Werck / so er gewürckt hat / die werden sie verkleinern / die böse Werck / so er geübt hat / die werden sie vergrössern / die Barmhertzigkeit GOttes werden sie vermindern / die Gerechtigkeit GOttes werden sie vermehren / die Hoffnung werden sie baufellig / die Verzweifflung werden sie gleichsamb nothwendig machen / O[338] ein erschröcklicher Streitt deß Sterbenden.

Der H. Graff Elzearius lebte mit einem Apostolischen Eyffer in immerwehrender Vnschuld / fast wie ein jrrdischer Engl / also daß er mit vielen Wunderwercken geleuchtet; diser wie er sich auff das vollkommneste zu den Todt bereit / sich auch gäntzlich in die heiligste Wunden JEsu / wie ein Tauben in die offne Ritzen deß Felsen verschlossen / hat gleichwohl ein trauriges Angesicht vnd gantz forchtsame Geberdẽ in seinem Sterbstündl gezeigt / endlich in dise Wort außgebrochen. O quam ego magnam experior esse potestatem Dæmonum in morituros: O! wie erfahr ich jetzunder / wie die böse Feind ein grossen Gewalt haben in die Sterbende! Schweigt hierüber ein wenig still / endlich schreit er wider auff folgendlichen lauts Vici, Vici, ich hab überwunden / überwunden: seine aller letzte Wort seynd[339] gewest / wie folgt / me totum censuræ Divinæ submitto, ich vnterwürffe mich gäntzlich dem Göttlichen Urthl.

Wann dañ ein solchen gefährlichen Streitt vnd erschröcklichen Kampff hat außgestanden ein Heyliger /ein solcher / der nichts anders gethan als Guts / ein solcher / der nur stets in den Armen deß gecreutzigten JEsu gehangen / ein solcher / dessen Augen seynd gewest ein Spiegel der Unschuld / dessen Mund ist gewest ein Chor deß Göttlichen Lobs / dessen Ohren seynd gewest Porten der Keuschheit / dessen Händ seynd gewest ein Speiß-Gwölb der Armen / ein solcher? Dessen Füß seynd gewest Currier der Andacht /dessen Hertz ist gewest ein Thron vnd Sitz deß Heiligen Geists / hat ein solcher / der gantz Vollkommen vnd Heylig / ein so strengen Streitt müssen außstehen in seinem Sterbstündl mit dem bösen Feind? Wie wird es mir vnd dir ergehen? Wie dem jenigen / welcher sein Bekehrung[340] vnd Buß dahin sorgloß auffgespart! O erschröcklich! Die H. Gertrudis hat bekennt /sie wolle lieber biß auff den Jüngsten Tag mit blossen Füssen auff glüenden Kohlen gehen / als nur noch einmahl wie ihrs Christus gezeigt / auff ein Augenblick ansichtig werden einer höllischen Larven: Dionysius Cartusianus ist der gäntzlichen Aussag / daß der höllische Satan einem jeden Sterbenden erscheine / die allerseeligste Mutter GOttes alleinig außgenommen; Der Heilige Bischoff Martinus hat in seinem Todt-Beth gesehen den bösen Feind in der Gestalt einer grausamben Bestien / dessenthalben er gantz behertzt auffgeschryen / quid astas cruenta bestia! was stehest du dar blutgieriges Thier! In Oesterreich hat ein vornehmer von Adel in seinem Sterbstündl gesehen gantz feurige Wägen / vnd darauff gantz kohl schwartze Gutscher; Scher. in Con. Dom. 1. quad.[341] Anno 1557. Seynd einem getaufften Juden in dem Todt-Beth viel hundert tausend böse Geister erschienen in Gestalt feuriger Schlangen / deren Gröste ihn wie ein Wißbaum gedunckte / O erschröcklich! Hieronymus Plati schreibt von Hugone einem vornehmen Herrn / nach dem derselbe viertzig Jahr den öden vnd schnöden Welt-Wollüsten nachgesetzt / ist er endlich einen strengen Orden eingetrettẽ / darin würdige Buß gewürcket gantzer drey Jahr / nach welcher Zeit er in tödtliche Kranckheit gerathen / vnd endlich in sein Sterbstündl / damahls seynd ihme fünffzehen tausend böse Feind erschienen / so alle mit vnbeschreiblichen Grimmen ihn zur Verdamnuß reissen wolten / dafern es die geübte Bußwerck nicht verhindert hätten. Eusebius ist gewest ein Discipl. deß Heil. Hieronymi, hat gleichmässig in dessen gottseelige Fußstapffen getretten / führte einen vnsträfflichen Wandel /[342] ware bekannter dem Himmel /als der Erd; als diser eingefleischte Engl in das Sterbstündl kommen / hat er dergestalten von den höllischen Larven gelitten / daß er derentwegen gantz entsetzliche Geberden gezeigt / vnd als die herumbstehende Geistliche vor Schrocken zur Erd nidergefallen / hat er mit heller Stimm auffgeschrien / Nonne vide tis Dæmonum acies, qui me debellare contendunt? ›Sehet ihr dañ nicht gantze Armeè der höllischen Feind / die mich zu überwinden begehren?‹ O erschröcklich.

Cæsareus schreibt / daß der Satan einest auß einer besessenen Persohn habe bekennt / daß er bey dem Todt einer Benedictiner Abtissin seye gewest / vnd haben seine Mitgespan in solcher Menge sich allda befunden / daß der gröste Wald zu grüen Mayen-Zeit nicht so viel Blätter zehlet; O erschröcklich! Stehen solchen Streitt auß die jenige / welche doch gantz gewissenhafft[343] gewandlet / vnd ihre Lebens-Zeit in der Forcht Gottes möglichst zugebracht / was Aengsten werden dañ diselbige überhäuffen? welche wie die blinde Maulwärff ihren Lust nur in die Erd vnd in das Irrdische gesetzt? schier niemahl das Ewige vor Augen gestellt / sondern die heilsame Bekehrung vnd Reu in das vngewisse Sterbstündl auffgeschoben / in welchem auch die Gerechtiste in der Gefahr stehen.

Filij hominum usquequo gravi corde? O vnbehutsame Menschen-Kinder / lasset dißfalls eure harte Gemüther erweichen / von der Warnung so euch der Heyl liebende JEsus selbsten in die Ohren schreyet / Vigilate, wachet / dann ihr wisset nicht zu welcher Stund der HErr kommen wird / Matth. 42. Ist es / daß ihr auß Menschlicher Schwachheit seyd gefallen / so fallet wider / aber zu den Füssen Christi mit Magdalena / vnd schiebet nicht auff / die Reuvolle Buß-Zähren in[344] das Sterbstündl / zumahl vnbekant / wann der HErr kommen wird / vnd euch fordern in die Ewigkeit; O wann es der Allerhöchste gestatten thäte / das nur einer auß so viel tausend Menschen / welche von hier dises Jahr in die Ewigkeit geschieden / solte auß einer grossen Gruben aufferstehen / vnd predigen /glaube wohl / sein gantze Redt wurde in folgenden Worten bestehen / quærite Dominum dum inveniri potest. Joan. 55.


Stehet auff von euren Sünden /

Suchet GOtt / wann er zufinden /

Weil ihn gar selten gefunden hat /

Der gespart in die letzt sein Buß /

Als man damals schon sterbẽ muß /

Dort ist die Buß gar offt zu spat.


Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Mercks Wienn. Das ist des wütenden Tods ein umbständige Beschreibung [...], Wienn: Peter paul Bivian; der Löbl, 1680 [Neudruck: Tübingen: Niemeyer, 1983, [Deutsche Neudrucke: Reihe Barock; 31], S. 320-345.
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