Der Arme

[236] Die Armuth gab ihm dieses Leben

Zur Armuth und zur blassen Pein –

Im Kothe war einst seine Wiege,

Und wird sein Sterbebett auch sein.

Vom ersten Schrei verdammt zur Dummheit

Und ausgeschlossen von dem Licht –

Für ihn erschien ja der Erlöser,

Der milde Gott der Künste, nicht.[236]

Mit Stumpfheit durft' er nur verkehren,

An Rohheit war er festgebannt,

Er stank nach Schnaps und kaute Tabak –

Roh wie sein Kittel der Verstand.

Und seine Lippen lernten Fluchen,

Stets blieb er stumpf, stets blieb er dumm –

Die langen Jahre hast'ger Arbeit,

Die drückten seinen Rücken krumm;

Und kraftlos wurden seine Hände

Und betteln mußt' der arme Mann – –

Daß selbst ein ganzes ems'ges Leben

Kein ruhiges Sterben geben kann!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 236-237.
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