Böser Markt

[263] Einer kam vom Königsmahle

In den Park sich zu bewegen,

Aus dem Busch mit einem Male

Trat ein andrer ihm entgegen;

Zwischen Rock und Kamisole

Griff der schnell, und die Pistole

Setzt er jenem auf die Brust.


»Leise, leise! muß ich bitten;

Was wir hier für Handel treiben,

Mag vom unberufnen Dritten

Füglich unbelauschet bleiben.

Wollt Ihr Uhren nebst Gehenken

Wohl verkaufen? nicht verschenken;

Nehmt drei Batzen Ihr dafür?« –


Mit Vergnügen!« – »Nimmer richtig

Ist die Dorfuhr noch gegangen;

Tut der Küster auch so wichtig,

Weiß er's doch nicht anzufangen;[263]

Jeder weiß in unsern Tagen,

Was die Glocke hat geschlagen;

Gottlob! nun erfahr ich's auch.


Sagt mir ferner: könnt Ihr missen,

Was da blinkt an Euren Fingern?

Meine Hausfrau, sollt Ihr wissen,

Ist gar arg nach solchen Dingern;

Solche Ringe, solche Sterne,

Wie Ihr da habt, kauf ich gerne;

Nehmt drei Batzen Ihr dafür?« –


»Mit Vergnügen!« – »Habt Ihr künftig

Mehr zu handeln, laßt mich holen;

Edel seid Ihr und vernünftig,

Und ich lob Euch unverhohlen.

Gleich mich dankbar Euch zu zeigen,

Laß ich jede Rücksicht schweigen,

Und verkauf Euch, was Ihr wollt.


Seht den Ring da, den ich habe;

Nur von Messing, schlecht, unscheinsam,

Aber, meiner Liebsten Gabe;

Ach sie starb, und ließ mich einsam!

Nicht um einen Goldesheufen...!

Aber Ihr, wollt Ihr ihn kaufen,

Gebt mir zehn Dukaten nur.« –


»Mit Vergnügen!« – »Ei! was seh ich?!

Schöner Beutel goldgeschwollen,

Du gefällst mir, das gesteh ich;

Die Pistole für den vollen!

Sie ist von dem besten Meister,

Kuchenreuter, glaub ich, heißt er,

Nehmt sie für den Beutel hin!« –


»Mit Vergnügen! Nun Geselle,

Ist die Reih an mich gekommen!

Her den Beutel auf der Stelle!

Her, was du mir abgenommen![264]

Gib mir das Geraubte wieder,

Gleich! ich schieße sonst dich nieder,

Wie man einen Hund erschießt!«


»Schießt nur, schießt nur! wahrlich, Schaden

Wärt Ihr fähig anzurichten,

Wäre nur das Ding geladen.

Ihr gefallt mir so mit nichten.

Unfein dürft ich wohl Euch schelten;

Abgeschloßne Händel gelten,

Merkt es Euch und, gute Nacht!«


Ihn verlachend unumwunden,

Langgebeint, mit leichten Sätzen,

War er in dem Busch verschwunden

Mit den eingetauschten Schätzen.

Jener mit dem Kuchenreuter

In der Hand, sah nicht gescheuter

Aus, als augenblicks zuvor.


Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 263-265.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe letzter Hand)
Gedichte Und Versgeschichten
Peter Schlemihls wundersame Geschichte und ausgewählte Gedichte.
Chamissos Werke: Erster Teil: Gedichte
Gedichte: Ausgabe letzter Hand
Hundert Gedichte

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon