Die Gedenktafel

[11] (Meinem Bruder)


Du wolltest, jung und hohen Sinns,

Paläste baun und Tempel,

Und sehntest dich, ein Haus zu sehn

Mit deines Geistes Stempel.

Was dir der Gott an Schönheit gab,

Das liegt nun all im dunklen Grab.

Der Tod, der Neidgeselle,

Nahm dir zu früh die Kelle,

Das Richtmaß und den Zirkel ab.


Ich aber lebe noch im Licht

Und bau auf meine Weise,

Und bau an einem Tempel fromm,

Darin ich bet und preise.

Aus Liedern soll ein Haus erstehn,

Draus meine Augen fröhlich sehn,

Darin vor allen Wänden

In stillen Opferbränden

Der Schönheit ewige Flammen wehn.


Und eine Tafel bring ich an,

Davor zwei Kerzen ragen,

Die soll auf ihrem hellen Grund

Nur deinen Namen tragen,

Und soll mich mahnen früh und spät,

Je herrlicher mein Haus gerät,

Wie oft ein hohes Streben

Sich bitterlich muß geben

Und all in einer Nacht vergeht.[12]


Quelle:
Gustav Falke: Ausgewählte Gedichte. Hamburg 1908, S. 11-13.
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