Ein wolgegründ Gratias

[825] oder dancksagung nach dem Essen zugebrauchen: aus schönen sprüchen der Heiligen geschrifft in ein lied gezogen.


In der vorigen weis zusingen.


1.

Himlischer Vatter, gros von thaten,

der du durch dein allmächtigs wort

Alles erschaffen hast aus gnaden

vnd durch dein weisheit setzst noch fort:


2.

Der durch dein vnerschöpfflich güte

alles ernehrst, das es gedeit,

Der nimmer wirst zu helffen müde

den die auff dich hoffen allzeit:


3.

Derhalben man dich billich preiset,

weil du bist selbs die freundlicheit,

Weil von dir alles wird gespeiset

vnd dein güt wärt in ewigkeit:


4.

Der du auch alles fleisch ersättigst

vnd allem vich sein futer gibst,

Ja auch die Raben aufs genädigst

die dich anrüffen nicht betrübst:


5.

Dan dich lust nit des Rosses stercke

noch jmands junge bein voll marck,

Sonder die hoch achten dein wercke

vnd auff dein güte hoffen starck.


6.

O GOT, schaff das auff dich wir bauen

vnd nicht auff vnser keine macht,

Das wir vns dir allein vertrauen,

dan keiner der dir traut verschmacht.


7.

David singt selbs, er sej alt worden

vnd hab doch dis erfaren nie

Das der Gots zusag glaubt vnd worten

sej vmm brot betlen gangen ie:


8.

Gib das wir dir so gtreulich leben

so wol du vns gespeiset hast,

Dz wir auch tun desgleichen eben

mit guttat vnserm nechstē gast.


9.

Erfüll vns mit deim geist vnd worte,

das wir dir gfallen in deim Sun

Vnd nicht zu schanden werden dorte

wan jdem man vergilt sein thun.


10.

Gib das vns die zeitliche schencken

zun himlischen anleiten fein,

Das wir am irdischen nicht bhencken,

weil wir hie gäst vnd pilger sein,


11.

Sonder der Selenspeis nachstreben,

dem geistlich brot deins worts, o Herr,

Welchs vns speißt zum ewigen leben,

nach welchem keinen hungert mehr.


12.

Weil nicht allein der Mensch thut leben

vom brot, sonder vom jden wort

Welches aus deinem mund geht eben,

dasselb ist ein tröstlicher hort.


13.

Las vns dis manna nicht verachten

vnd nach der wachtlen lustern sehr,

Das ist, nach fremmdem scheinbarn trachten,

der kützeligen menschenlehr.


14.

Ach Got, gib dz wir deine kinder

werden einmal dein ewig gäst,

Ja deim erben vngehindert

im ewigen gastmal vnd fest,


15.

Ja in deim reich, welchs vns verheissen

in Christo, dem war mannabrot,

Darmit vns ewiglich zuspeisen,

wan wir lieben allein dich, Got.


16.

Die selbig lieb wölst in vns sterckē

durchs himmelbrot, dein heiligs wort,

Im glauben vnd in guten wercken,

bis wir volkommen werden dort.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 825-826.
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