Cromwells letzte Nacht

[150] Mir sagt's nicht nur des Arztes ernste Miene,

Selbst fühl' ich's: meine Stunden sind gezählt ...


Ein wüster Traum war's! Wüßt' ich, diese Nacht

Wird mir der Schlaf ein gleiches Schrecknis bringen,

So möchte diese Stunde noch der Tod

Statt jenes Stuart an mein Lager treten.

Ernst stand er vor mir; um den nackten Hals

Trug, statt des Schmucks, er einen roten Streifen,

Und als er, wie vordem, zu leichtem Gruß

Nach dem Barett auf seinem Haupte faßte,

Nahm er den Kopf von seinem blut'gen Rumpf.

Mein Auge schloß sich; als ich's scheu geöffnet,

Sah wieder ich den purpurfarbnen Streifen,

Er winkte mit dem Finger mir zu folgen,

Und schwand dann, rückwärts schreitend, in der Tür.


Was schreckt das Traumbild mich des toten Mannes

Und weckt in mir den alten Aberglauben

An eines Königs Unverletzlichkeit?

Das Schwert des Henkers wär' wie Glas zersprungen,

Wenn Gottes Will' ihn unverletzlich schuf.

Der kühne Normann, der bei Hastingsfield

Den König Harald in den Staub geworfen,[150]

Was war er Beßres als der Cromwell heut,

Der jenen Karl bei Marston-Moor geschlagen?


Es soll nicht mehr dies blut'ge Haupt mich schrecken!

Daß ich mein Tun mit seinem Tod besiegelt,

Es war Notwendigkeit; er mußte sterben,

Es war sein Blut der Mörtel meines Baus.


Ich sah das Schiff, vom Sturm umhergeschlagen,

Der Klippe nah, an der es scheitern mußte,

Und sprang hinzu – von seinem Platze drängt' ich

Den schwachen Steurer, und mit fester Hand

Bracht' ich das Schiff, geborgen, in den Hafen.

Es war noch immer, wo es galt zu retten,

Das Recht des Stärkern nicht das schlechtste Recht.


Wenn in die Sendung, die an mich ergangen,

Sich Selbstsucht, Stolz und Eitelkeit gemischt,

So weißt du, Gott, der meine Nächte kennet,

Wie für die Schwachheit bitter ich gebüßt.

Mein Leben war das Leben des Tyrannen;

Ob nimmer auch in Blut ich mich gebadet,

Haß fand ich dort, wo festen Arms ich drückte,

Und Eifersucht, wo milden Arms ich hob.


Erfüllt ist, was ich mußte; Gott, ich wollte,

Des Mannes Blut wär' nicht an meinen Händen!

Hab' ich gefehlt, sei mir ein gnäd'ger Richter –

In deine Hand befehl' ich meinen Geist.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 150-151.
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