2. David Rizzio

[130] Herr Darnley reitet in den Wald, Lord Ruthven ihm zur Seite;

Herr Darnley spricht: »Was frommt es mir, daß in den Lenz ich reite?

Ich ritt hinaus, ein Schreckgespenst mir aus dem Sinn zu schlagen,

Ihr aber, Ruthven, hastet Euch, ins Feuer Öl zu tragen.«[130]

Lord Ruthven streicht den roten Bart, als sei er des zufrieden,

Er schweigt und denkt nur: ›Wenn es heiß, soll man das Eisen schmieden‹;

Seit an Marias Ohr er frech ein Liebeswort verloren,

Hat er der schönen Königin im Herzen Haß geschworen.

Er spricht kein Wort, beredter spricht sein Lächeln jetzt und Schweigen,

Er sieht, von Schritt zu Schritt, das Blut in Darnleys Wange steigen;

Der ruft: »Sing aus dein Rabenlied, und spricht's wie deine Blicke,

Verdamm mich Gott, wenn ich den Fant nicht in die Hölle schicke! «

Lord Ruthven streicht den roten Bart; in heuchelndem Erstaunen

Spricht er: »Mein König zweifelt noch an dem, was alle raunen,

Er weiß nicht, was ein jeder weiß von Schottlands Königsstuhle,

Daß Heinrich Darnleys ehlich Weib des David Rizzio Buhle!«

Herr Darnley kehrt gen Edinburg, er hält vor seinem Schlosse:

»Lord Ruthven – spricht er – so's beliebt, bleibt Ihr mein Jagdgenosse,

Der Fuchs ist schlau, doch bärg' er sich in ihres Kleides Falten,

Ich jag' ihn auf, noch heute nacht will meinen Schwur ich halten.«


Es glänzt der festgeschmückte Saal von Rittern wohl und Frauen,

Vor allen ist Maria doch als Königin zu schauen,

Sie läßt die Zeit bei Spiel und Tanz in raschem Flug enteilen,

Und nur ihr Gatte zögert noch, des Festes Lust zu teilen.

Die Kerzen und die Wangen glühn vor Freuden um die Wette,

Es schreitet an Lord Seytons Hand Maria zum Bankette,

Der Becher schäumt, Maria winkt, ein Saitenspiel zu bringen,

Ihr Liebling Rizzio nimmt es hin und hebet an zu singen:[131]

Der König zog in finstrem Sinn

Hinaus mit seinem Trosse;

Nach blickt die schöne Königin

Dem Reiter und dem Rosse.


Und als des Waldes Laub und Moos

Den König kaum erlaben,

Da lockt sie schon auf ihren Schoß

Den blonden Edelknaben.


Sie streicht sein Haar, sie küßt so heiß

Die Lippen ihm und Wangen,

Die aber sind heut kalt wie Eis

Und atmen kein Verlangen.


Sie flüstert: »Lieber Knabe mein,

Halt fester mich in Armen,

Wir wollen eins zur Stunde sein,

Das wird dein Herz erwarmen.«


Er aber spricht: »Mag heute nicht

Fest herzen dich und pressen,

Ich hatt' zur Nacht ein Traumgesicht,

Das kann ich nicht vergessen:


Es trat der König vor mich hin,

Als ich dich wollte küssen;

Mir ist so bang, lieb' Königin,

Als würd' ich sterben müssen ...«


»So stirb, du buhlerischer Tor!« Herr Darnley ruft's dazwischen,

Es fegt im Nu sein Zornesblick die Gäste von den Tischen,

»Stirb denn und dank's im Tode mir, daß ich mit guter Klinge

Zu deinem bösen Bubenlied das letzte Verslein singe.«

Es packt den Sänger Todesangst: in namenlosem Leide

Hält fest er, wie ein zitternd Kind, sich an Marias Kleide,[132]

Die tritt, halb Furcht halb Zorn im Blick, hervor, ihn zu bewahren,

Umsonst, schon ist des Königs Schwert ihm durch die Brust gefahren.

Es hält, die lange Nacht hindurch, Maria Totenwache,

Zum ersten Mal durchzieht ihr Herz der heiße Wunsch nach Rache;

Die Morgensonne sah den Schwur auf ihrer Lippe beben –

Herr Darnley hat des Sängers Tod bezahlt mit seinem Leben.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 130-133.
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