Der Edelknabe

und die Müllerin

[129] Edelknabe


Wohin? wohin?

Schöne Müllerin!

Wie heißt du?


Müllerin


Liese.


Edelknabe


Wohin denn?

Wohin Mit dem Rechen in der Hand?


Müllerin


Auf des Vaters Land,

Auf des Vaters Wiese.


[129] Edelknabe


Und gehst so allein?


Müllerin


Das Heu soll herein,

Das bedeutet der Rechen;

Und im Garten daran

Fangen die Birnen zu reifen an;

Die will ich brechen.


Edelknabe


Ist nicht eine stille Laube dabei?


Müllerin


Sogar ihrer zwei,

An beiden Ecken.


Edelknabe


Ich komme dir nach,

Und am heißen Mittag

Wollen wir uns drein verstecken.

Nicht wahr, im grünen, vertraulichen Haus –


Müllerin


Das gäbe Geschichten!


Edelknabe


Ruhst du in meinen Armen aus?


Müllerin


Mitnichten!

Denn wer die artige Müllerin küßt,

Auf der Stelle verraten ist.[130]

Euer schönes dunkles Kleid

Tät mir leid

So weiß zu färben.

Gleich und gleich! so allein ist's recht!

Darauf will ich leben und sterben.

Ich liebe mir den Müllerknecht;

An dem ist nichts zu verderben.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 129-131.
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