Der Bund

[84] Dem Kußgelispel ähnlich, wenn Freunde sich

Umarmen, rausche, Harfe! Du Lindenbaum,

Geuß dein Geflüster in die Saiten

Hainings! Er glühet im Wonnetaumel.


Mein Gottschalk nennt mich Bruder! Der Name tönt

Mir süßre Lispel, als mir das Lüftchen tönt,

Das durch die jungen Mayen säuselt,

Wo sich mein Mädchen des Lenzen freuet.


Weg, Liederharfe! – – Teuthard und Minnehold,

Das Herz im Auge, taumeln mir an die Brust,

Und unsre deutschen Liederseelen

Strömen in Gluthen. Was weilst du, Raimund,


Im Mondglanzschatten! – Reiß dich, o Bardenhold,

Aus Raimunds Armen! Flügle dich, schnelles Flugs,

An meinen Busen! – Ah, du strömest

Mir in die bebenden, offnen Arme!


Verlaßt mich, Freunde, daß mir die trunkne Brust

Im kühlern Taumel brenne! – – Mein Bardenhold

Entheb mein Spiel dem Eichensprößling,

Daß ich mein Herz in die Saiten singe!


Noch Einen Rundkuß, Freunde, bevor mein Schwur

Den Bund versiegelt, welchen die Tugend knüpft;

Noch Einen Handschlag vor den Augen

Gottes, der unsichtbar um uns wandelt!


Durch alle Sterne hallt er! Eloa blickt

Aus seiner Wolke nieder, und segnet uns;

Die Geister unsrer Väter schweben

Lichthell und lispelnd um unsre Saiten.
[84]

Seyd Zeugen, Engel! – – Haining beschwört den Bund! –

Der Mond blinkt heller, goldner und goldner malt

Sich jede Wolke, die melodisch

In das Gewirbel der Harfe murmelt.


Seyd Zeugen, Geister! – – Haining beschwört den Bund! –

Mein Spiel verstumme flugs, mein Gedächtniß sey

Ein Brandmahl, und mein Name Schande:

Falls ich die Freunde nicht ewig liebe!


Kein blaues Auge weine die Blumen naß,

Die meinen Todtenhügel beduften; falls

Ich Lieder töne, welche Deutschland

Schänden und Laster und Wollust hauchen!


Der Enkel stampfte zornig auf meine Gruft,

Wann meine Lieder Gift in das weiche Herz

Des Mädchens träufeln, und verfluche

Meine zerstäubende kalte Asche! – –


Die Geister flüstern lauter – – die Linde haucht

Mir tiefre Schauer – Schleuß mich in deinen Arm,

O Gottschalk, daß die Seelenschauer

Sich in Entzückung der Freude wandeln!
[85]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 84-86.
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