|
[166] Mein Deutschland, strecke die Glieder
Ins alte Bett, so warm und weich;
Die Augen fallen dir nieder,
Du schläfriges deutsches Reich.
Hast lange geschrien dich heiser –
Nun schenke dir Gott die ewige Ruh!
Dich spitzt ein deutscher Kaiser
Pyramidalisch zu.
O Freiheit, die wir meinen,
O deutscher Kaiser, sei gegrüßt!
Wir haben auch nicht einen
Zaunkönig eingebüßt.
Sie sind uns alle verblieben;
Und als wir nach dem Sturm gezählt
Die Häupter unsrer Lieben,
Kein einziges hat gefehlt.
Deutschland nimmt nur die Hüte
Den Königen ab, das genügt ihm schon;
Der Deutsche macht in Güte
Die Revolution.
Die Professoren reißen
Uns weder Thron noch Altar ein;
Auch ist der Stein der Weisen
Kein deutscher Pflasterstein.
Wir haben, was wir brauchen;
Gesegnet sei der Völkerlenz!
Wir dürfen auch ferner rauchen
In unsrer Residenz.
[166]
Wir haben Wrangels Säbel,
Berlin und seinen Wolkensteg;
Das Maultier sucht im Nebel
Noch immer seinen Weg.
Wie freun sich die Eunuchen!
Die bilden jetzo den ersten Stand,
Der Welcker frißt die Kuchen
Den Königen aus der Hand.
Du hältst dir einen Gesandten,
Deutschland, im Stillen Ozean
Und fühlest den Elefanten
In Indien auf den Zahn.
Die Fragen sind erledigt,
Die Pfaffen machen bim bam bum;
Den Armen wird gepredigt
Das Evangelium.
Wir bauen dem lieben Gotte
Den hohen Dom zu Cöllen aus
Und geben eine Flotte
Auf Subskription heraus.
Die schwarz-rot-goldnen Wimpel
Besorgt der Jakob Venedey,
Als Wappen nahm er den Gimpel,
Sein eignes Konterfei.
Fünfhundert Narrenschellen
Zu Frankfurt spielen die Melodie:
Das Schiff streicht durch die Wellen
Der deutschen Phantasie.
[167]
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro