Marschlied für das ostschweizerische Kadettenfest

[182] 1856


Was eilt zu Tal der Schweizerknab

Und wandert aus den Toren?

Er fährt den Strom und See herab,

Was hat er wohl verloren?


Heiho! heiho! er sucht geschwind

Und findet seine Brüder,

Bis hundert und bis tausend sind

Und dreimal tausend wieder!


Hei seht! er schwärmt von Haus zu Haus

Und will schon Eisen tragen!

Sie ziehn mit Wehr und Waffen aus

Und auch mit Stuck und Wagen.


Und auf des Herbstes goldner Au

Erglänzt in langen Zügen

Der Jugend kecke Heeresschau,

Und ihre Fahnen fliegen.


Von hundert Trommeln ist der Klang

Zum Vorgehn dumpf zu hören;

Das Blachfeld hier und dort entlang

Wallt Rauch aus tausend Röhren.


Der Eidgenossen Oberst schlägt

Zufrieden an den Degen;

Er ruft, von frohem Mut bewegt:

»Die Saat, die steht im Segen!«
[183]

Und wie im hohen Schweizertann

Die alte Brut gesungen,

So, wehr dich, guter Schweizermann!

So pfeifen auch die Jungen!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 182-184.
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