[244] Bekränzt mein Haar, o Blumen des Hains,
Die am Schattenbach des bardischen Quells
Nossa's Hand sorgsam erzog, Braga mir
Brachte, bekränzt, Blumen, mein Haar!
Es wendet nach dem Strome des Quells
Sich der Lautenklang des wehenden Bachs.
Tief, und still strömet der Strom; tonbeseelt
Rauschet der Bach neben ihm fort.
Inhalt, den volle Seel', im Erguss
Der Erfindung, und der innersten Kraft,
Sich entwirft, strömet; allein lebend muss,
Will es ihm nahn, tönen das Wort.
[245]
Wohllaut gefällt, Bewegung noch mehr;
Zur Gespielin kohr das Herz sie sich aus.
Diesem säumt, eilet sie nach; Bildern folgt,
Leiseres Tritts, ferne sie nur.
So säumet, und so eilt sie nicht nur:
Auch empfindungsvolle Wendung beseelt
Ihr den Tanz, Tragung, die spricht, ihr den Tanz,
All ihr Gelenk schwebt in Verhalt.
Mir gab Siona Sulamith schon
An der Palmenhöh den röthlichen Kranz
Sarons. Ihr weiht' ich zuerst jenen Reihn,
Welcher im Chor hallt des Triumphs,
Nun rufet seinen Reihen durch mich
In der Eiche Schatten Braga zurück.
Hüllte nicht daurende Nacht Lieder ein,
Lyrischen Flug, welchem die Höhn
Des Lorberhügels horchten; o schlief'
In der Trümmer Graun Alzäus nicht selbst:
Rühmt' ich mich kühneres Schwungs, töne, stolz
Rühmt' ichs, uns mehr Wendung fürs Herz,
[246]
Als Tempe's Hirt vom Felsen vernahm!
Und der Kämpfer Schaar in Elis Gefild!
Als mit Tanz Sparta zur Schlacht eilend! Zeus
Aus des Altars hohem Gewölk!
Der grosse Sänger Ossian folgt
Der Musik des vollen Baches nicht stets.
Taub ihm, zählt Galliens Lied Laute nur!
Zwischen der Zahl, schwankt und dem Maass,
Der Britte; selbst Hesperien schläft!
O sie wecke nie die Sait' und das Horn
Braga's auf! Flögen sie einst deinen Flug,
Schwan des Glasoor; neidet' ich sie!
Nachahmer, wie Nachahmer nicht sind,
Du erwecktest selbst, o Flakkus, sie nicht!
Graue Zeit währet' ihr Schlaf! O, er währt
Immer, und ich neide sie nie!
Schon lange mass der Dichter des Rheins
Das Getön des starken Liedes dem Ohr;
Doch mit Nacht decket' Allhend ihm sein Maass,
Dass er des Stabs Ende nur sah.
[247]
Ich hab' ihn heller blitzen gesehn
Den erhabnen, goldnen, lyrischen Stab!
Kränze du, röthlicher Kranz Sarons, mich!
Winde dich durch, Blume des Hains.
Buchempfehlung
Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro