Teutone

An der Höhe, wo der Quell der Barden in das Thal

Sein fliegendes Getöne, mit Silber bewölkt,

Stürzet, da erblickt' ich, Göttin, dich

Noch Einmal, du kamst zu dem Sterblichen herab!


Und mit Hoheit in der Mine stand sie, und ich sah

Die Geister um sie her, die, den Liedern entlockt,

Täuschen, ihr Gebild. Die Wurdi's Dolch

Unschuldige traf, die begleiteten sie fern,


Wie in Dämrung; und die Skulda's mächtigerer Stab

Errettete, die schwebten umher in Triumph,

Schimmernd, um die Göttin, hatten stolz

Mit Laube der Eiche die Schläfe sich bekränzt.
[3]

Den Gedanken, die Empfindung treffend und mit Kraft,

Mit Wendungen der Kühnheit zu sagen! das ist,

Sprache des Thuiskon, Göttin, dir,

Wie unseren Helden Eroberung, ein Spiel.


O Begeistrung! sie erhebt sich, feurigeres Blicks

Ergiesset sich ihr Auge, die Seel' in der Glut!

Ströme! denn du schonest dess umsonst,

Der, leer des Gefühls, den Gedanken nicht erreicht!


Wie sie herschwebt an des Quells Fall! mächtiges Getön,

Wie Rauschen im Beginne des Walds ist ihr Schwung!

Draussen um die Felsen braust der Sturm;

Gern höret der Wandrer das Rauschen in dem Wald.


Wie sie schwebet an der Quelle! sanfteres Getön.

Wie Wehen in dem tieferen Wald' ist ihr Schwung.

Draussen um die Felsen braust der Sturm!

Gern höret im Walde der Wanderer das Wehn.


Die der Fremdling nicht entweiht, (Teutonien erlag

Nur Siegen unerobert!) o freyere, dich

Wagte der geschreckten Fessel nicht

Zu fesseln? Die Adler entflogen, und du bliebst,
[4]

Die du warest! An dem Rhodan klirret sie noch laut

Die Kette des Eroberers! laut am Ibeer!

Also, o Britanne, schallt dir noch

Der Angel und Sachse mit herschendem Geklirr!


So bezwang nicht an des Rheins Strom Romulus Geschlecht!

Entscheidungen Vergeltungen sprachen wir aus,

Rache, mit des Deutschen Schwert, und Wort!

Die Kette verstumte mit Varus in dem Blut!


Die dich damals mit erhielten, Sprache, da im Forst

Der Weser die Erobererkette versank,

Schweigend in der Legionen Blut

Versank, sie verhüllt die Vergessenheit mit Nacht!


Ah die Geister der Bardiete, welche sie zur Schlacht

Ertöneten dem zürnenden Vaterlandsheer,

Folgen mit der Todeswunde dir!

Ha Norne, dein Dolch! Wirst auch diesen, so sie klagt


Die vertilgten, du vertilgen? Bilder des Gesangs!

Ihr Geister! ich beschwör' euch, ihr Genien! lehrt

Führet mich den steilen kühnen Gang

Des Haines, die Bahn der Unsterblichkeit hinauf!
[5]

So erscholl's mir von der Telyn wieder in dem Hain.

Mir dauchte, dass Teutona mit Lächeln auf mich

Blickte: da durchströmt' es all mein Blut

Mit Feuer, und Röthe, wie jugendlichem Tanz


In dem Frühlinge getanzt glüht, flamte mir herauf

Die Wange! Ihr Begleiter! ihr Geister! so rief

Eiliger ich aus, ihr saht den Blick

Der Göttin, sie lächelte! Genien, ihr saht's!


O des Zaubers, den sie scheidend zauberte! Sie rief,

Und Geister der Gesänge gesungen durch mich

Kamen, ihr Gebild, und hatten stolz

Mit heiligem Laube die Schläfe sich bekränzt,


Mit dem jüngsten aus dem Haine. Hebe denn, o Dolch

Der Norne, dich, du fehlst sie! die Göttin hat sie

Schirmend, auf der Bahn des steilen Gangs,

Des kühnen, hinauf zur Unsterblichkeit geführt!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 3-6.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon