Der 11. (56. 131.) Kühl-Psalm/

[363] Als er zum fünfften-mahl den 27. May 1686. das Paris betreten/ und den 1. Junius im des virzehnden Ludewigs Säule auf den Platz des Victoires sieben-mahl getriben wurdeen; gleich ausgesprochen im eifer Gottes zu Pariß in der Germains-Vorstad im Hause der Kaiser/ eben den 1. Junius am Pfingst-abend 1686.


1.

Aw/ Ludwig/ Aw! der Gottes-Ludwig kam/

Als du versäumtest so schändlich di Erlösung!

Der Adam der gebahr mit Recht di Ludewigin/

Aus der Quirin erzeugen Kuhlmann solt!

Des Drabitzs Henrichin steht recht nun vor Henricus.

Wi Ludwigin recht vor Ludovicus steht!

Der Misverstand ist selbst Geheimnis/

Weil höchste Weißheit ist/ was höchste Torheit schin!

Der Höllen-drach hat Ach mit seinem witz/

Ob in der freiheit er so vilfach offt gehindert.


2.

Weh/ Ludwig/ weh! Es ist mit dir gethan!

Di stoltze Saule wird dem Saule zur Staub saule!

Wir gingen sibenmahl um dich von Gott getriben/

Und brachen dich/ ob es kein Wächter merkt!

Dein virundzwantzig fällt mit Babel zum Abgrunde/

Ob es einzeugnis wird/ daß du seist recht der Saul.

Du hast dir selbst di Rutt gebunden/

Di dich nun stäupen wird auf ewigst aller Welt!

Drum seufftzestdu schon krank an deinem Leib/

Als Narrheit dich verehrt in deinem närrschem bilde.


3.

Aw/ Ludwig,/ Aw! was hastu nun gemacht?

Du warst von Gott gesalbt zu der Figur der Wunder/[364]

Der Wunder/ welche sind dem Wunder selbst ein Wunder/

Weil Christus wolt gebähren seinen Sohn.

Ach hättestu den Pabst in ernster Macht geschüttelt/

Wi dir befohlen ward/ so ging es nicht so scharf!

Nun hastdu dich voll offenbahret/

Daß blos der Eigenwill ist deines Rechtes grund!

Rom speit dich an/ ob es vor deiner Macht

Voll heuchelei dich preist/ um nicht di Macht zu fühlen!


4.

Weh/ Ludwig/ weh! wi wilstdu stehn vor Gott?

Starb Christus an dem Kreutz/ daß eigner Will regire?

Was foderstu vor Recht von deinen Unterthanen/

Weil du ihr Haupt vor allen bist mit Recht!

Wi hastdu dann das Recht des Schöpffers so verhöhnet/

Daß du nach deinem sinn vollführtest Gottes sinn?

Wi hastdu dich zum Götz gesätzet/

Als das Gesätze dir in der Natur bekand?

Drum hab ich heut enstlichernst verflucht/

Weil solche Proben sind durch dich mir vorgefallen.


5.

Aw/ Ludwig/ Aw! wi seelig wärest du/

Wann du mir Gottes weg zu meiner kunft gebähnet?

Du soltest mit dem Schwerd vorlauffen meinem Ruffe/

Wi Christus selbst durch Drabitz dir gebot!

Du hast das Schwerd gebraucht zu deinem stetem Schwerdte/

Weil ider wird gestraft nach seinem eignem Werck!

Du must nun auch vors Blut antworten/

Das du vergossen hast allein zu deiner Ehr!

Dis Blut wird dich recht bluttig bilden ab/

Als einen Gottes-feind in Gottes strenger Rache!


6.

Weh/ Ludwig/ weh! Pilatus und Herod

Di sind im Pabst und dir aufs neu gefiguriret![365]

Herodes fühlt di Plag/ als man ihn Göttlich ehrte/

Und Ludewig der virzehnd/ stirbt nun stets.

Ach du/ unsterblich Mann! Empfindestu nun sterben?

Schau/ deine Heuchler sind di Ursach deiner Noth!

Di Säule stirbt mit deinem sterben/

Daß nicht der staub davon verbleibet in Pariß!

Der gantze Rund vernimmet bald mein Wort/

Daß du unsterblich wirst mit Sterben ohne Sterben!


7.

Aw/ Ludwig/ Aw! bist du recht Rothens Printz/

Den Groß und kleine heut so lästerlich anbeten?

Wi dort der Donner schlug nach deiner falschen Krohne:

So gehet es im wesen auf dich heut.

Der Schlag erschrekt di Welt: er thut si gantz erbeben!

Si lauffen alle zu! Das Gottes-werk beginnt!

Di Grossen sind herabgestossen/

Und was vertreten lag/ ist mit Maria hoch!

Hoch ohne Höh in allerhöchster Höh!

Inwahrer Demutt dint dem Schöpfer sein Geschöpffe!


8.

Weh/ Ludwig/ weh! di fünffzehnreiß ist A.V.S.

Ich bin zum fünfften mahl zu deinem Thron-sitz kommen!

Drum eile ich hinweg mit deiner Kron und Zepter/

Von Gott geführt/ durch Gott veschützt/ gestärkt!

Di Schwäche läst nicht zu/ was du dir vorgenommen!

Du lauffst nach Endor falsch! falsch wird dein falsches End!

Di Heuchler sind durch dich gewachsen/

Di weder Gott noch dich mehr meinen von dem Hertz!

Drum stirbest du/ als höchster Heuchler/ hin!

Was du gesäet hast/ das wird dir in der Erndte.


9.

Aw/ Ludwig/ Aw! Höhr was der Ludwig singt/

Der der fünffzehnde ist mit seiner fünffzehn reise![366]

Wi Wallstein höhrte vor/ als di Christina höhrte:

So ist mit dir dein höhren im Gehöhr.

Vom Wallstein blib gantz nichts/ wi ihm sein Schöpffer dräute:

So wird es dir ergehn in vollem wesen straks.

Kein Fusstapff sol dir bleiben über!

Der Stein rolt vondem Berg/ zermahlend gantz das Bild

Was nicht gehöhrt zum Reiche Jesuels/

Das muß verstauben gantz als Satub von Nimrods Staube.


10.

Weh/ Ludwig/ weh! Es ist vollbracht/ geschehn!

Was meinem Gott gefihl/ hat er mit mir vollendet!

Das beste deines Lands gehöhrt zu meinem Segen/

Weil du nich wilst gehorchen deinem Gott!

Jehova Ihesus Jah! geleite mich voll Weißheit!

Verblende ides Aug in ihrem höchstem Witz!

Laß mich dich mehr augbliklich liben!

Laß mich dich loben stets/ imehr ich lobe dich;

Laß mich stets mehr gehorchen ewigst Dir!

So wird mein Ausfluß dir/ mein Schöpffer/ selst zur Freude.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 363-367.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon