An die Melancholie

[112] Du geleitest mich durchs Leben,

Sinnende Melancholie!

Mag mein Stern sich strahlend heben,

Mag er sinken – weichest nie!


Führst mich oft in Felsenklüfte,

Wo der Adler einsam haust,[112]

Tannen starren in die Lüfte

Und der Waldstrom donnernd braust.


Meiner Toten dann gedenk ich,

Wild hervor die Träne bricht,

Und an deinen Busen senk ich

Mein umnachtet Angesicht.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 112-113.
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