Die Insel

[174] – Insularum

Ocelle.Catull.


Die umschlingende Fluth scheidet vom Weltgeräusch!

Darum lockte mich stets deiner Gestade Ruh'

Und die Dämmrung, o Insel,

Deines duftenden Erlengangs.


Hier im Ufergebüsch, wo, von der Eich' umwölbt,

Sich durch Zacken von Tuff schäumend die Quell' ergießt,[174]

Ruh' am Abend ich einsam

Auf der Klippe bemoostem Rand.


Nachen rudern am Dorf, blinkender Barsche Tanz

Deckt mit Kreisen die Fluth, daß der umschilften Burg

Helles Zaubergemälde

Oft in grünlicher Wallung bebt.


Hier nur fühl' ich mich frei! hier nur entwölkt mein Blick

Sich am Wogengeräusch! freundlich im Dämmerlicht

Goldner Weiden begegnen

Hofnung mir und Erinnerung;


Malt mir diese den See, duftig im Abendstral,

Unter Juliens Dorf oder bei Meillerie;

Zaubert reizender jene

Mir am Ufer ein Sorgenfrei.


Pappeln grünen umher, häusliche Schwalben baun

Unterm Strohdach, ein Quell sprudelt im Fruchtbaumhain,

Heimlich dunkelt ein Gröttchen

Hinter wankendem Epheulaub.


Vögel schlagen am Teich, schwärmendes Wollenvieh

Grast im Nachtigallbusch, wo dem gedämpften Klang

Meiner ländlichen Leier

Oft der schweigende Vollmond lauscht.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 174-175.
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