Galaswinte

[141] Im Saale jubelt Hochzeit –

Die Arme vor dem Busen

Kreuzt Fredegund in Demut,

Des Königs list'ge Buhlin:

»Ich bin die Magd und leuchte

Dem Bräutchen auf die Kammer!«

Die Alabasterampel

Mit römischen Skulpturen,

Die schwebend einst geschimmert

In stillem Grabesdunkel,

Trägt Fredegund in Demut

Und hellt die Hochzeitskammer,

Sie setzt die Ampel nieder

Und geht und lächelt tückisch.

Die zarte Galaswinte

Blickt in die wehnde Flamme,

Die Flamme loht und flackert,

Die Ampel springt in Scherben,

Die Fürstin weint im Dunkel:

»Die mich gebracht aus Spanien,

Dein Kind dem Frankenkönig,

Jetzt drehst du auf dem Rosse[141]

Im Schein der Wanderfackel

Noch einmal dich und breitest

Nach mir die Arme, Mutter!«


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 141-142.
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