Das andere erbauliches Lied

[306] Dieses Lied kan auch gesungen werden nach der Melodie des bekanten Kirchengesanges: Wacht auf, ihr Christen alle, u.s.w.


1.

Was kan hinfohrt mich scheiden

Von deiner Lib', O Gott?

Kein Trübsahl, Angst noch Leiden,

Kein Unfall, Hohn noch Spott,

Kein Tod noch Noht, kein Leben,

Kein Geist, kein Fürstenthum;

Nur du, dem' ich ergeben,

Verbleibst mein Ehr und Ruhm.
[306]

2.

Von Gott sol mich nicht trennen

Der Höllhund Belial,

Ich werd' auch nicht nachrennen,

Welt, deiner Wollust Gall';

Auch sol mich nicht bezwingen

Mein arges Fleisch und Bluht,

Mit Freuden wil ich dringen

Zum allerhöchsten Guht.


3.

O Welt, dein eitles Wesen

Ist kaum des Namens wehrt.

Die Frömste, wie wir lesen,

Die haben nie begehrt,

In deiner Gunst zu stehen;

Denn ihnen war bewust,

Es müste schnell vergehen

Welt, Geld, Pracht, Ehr' und Lust.


4.

Du magst dich nur verkriechen,

Du Lastervolle Welt!

Du bist ja gleich den Siechen,

Die plötzlich überfält

Der Tod, im fall' er raubet

Ihr Leben, Guht und Ehr';

Auch dir ist schnell erlaubet,

O Welt, die Wiederkehr'.


5.

Ich kan dich gahr nicht liben,

Du bist mir viel zu schlecht.

Vom Himmel angetrieben

Lib' ich den Schöpffer recht,

Den Schöpffer, der, geschmükket

Mit grosser Herrligkeit,

Mich gleichsahm hält entzükket

In diser Leidens Zeit.


6.

Ich schwinge mich gen Himmel,

Den Teppich seh' ich an,

Der durch sein Sterngewimmel

Mich sehr ergetzen kan.

Wie schön' ist doch gezieret

Das blaue Wolkendach,

Das gleichsahm nur berühret

Des Höchsten Wohngemach!


7.

Das sind Tapezereien,

Mit Flammen außgestikt,

Die dessen Macht ausschreien,

Den sonst kein Mensch erblikt.

Wie herrlich muß wol prangen

Der grosse Himmelssahl!

Wem solte nicht verlangen

Nach Gottes Freudenmahl?


8.

Ich wil, O HERR, dich liben

Ob deiner grossen Macht;

Es muß für dir verstieben

Witz, Reichthum, Ehr' und Pracht.

Wer deinen Donner höret,

Der zittert als ein Laub;

Denn was dein Blitz verseeret,

Wird kleiner als der Staub.


9.

Rauch geht aus deiner Nasen,

Die Berge stehn wie Wachs,

Sie schmeltzen durch dein Blasen

Wie für dem Feur das Wachs.

Die stärkste Helden beben,

Wenn du dich hören läst;

Die Fluht muß sich erheben,

So bald dein Odem bläst.


10.

Gelobet und gepriesen

Seist du, mein grosser Gott;

Du hast dein' Ehr' erwiesen,

Du stärkster Zebaoht,

Reich, wunderbahr und prächtig,

Schön, tapfer, stark, behend'.

HERR, du bist alles mächtig,

Drüm lib' ich dich ohn' End.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 306-307.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon