Ernstliche Betrachtung der grausahmen Gefängnisse und des gahr abscheülichen Ohrtes der Höllen

[242] Dises kan gesungen werden auf die Melodei des Lides: Es ist gewißlich an der Beit, etc.


1.

Erschrecklich ist es, daß man nicht

Der Höllen Pein betrachtet,

Ja daß Sie fast alß ein Gedicht

Von vielen wird geachtet,

Da doch kein Augenblik vergeht,

Daß nicht ein Hauff' im Sarke steht,

Vom Würger abgeschlachtet.


2.

Halt inn, ô Mensch, mit deinem Lauff',

Es ist ja leicht geschehen,

Daß Dich gereüt der schlimme Kauf;

Drum bleib' ein weinig stehen:

Wir wollen erst das HöllenLoch,

Den Schwefelpfuhl, des Satans Joch

Mit rechtem Ernst besehen.


3.

Merk' auf, der Du mit grossem Pracht'

Hie lässest Häuser bauen:

Du wirst in jenner finstern Nacht

Dergleichen nimmer schauen.

Der Höllen Wohnung ist ein Schlund,

Ja tieffe Pfütz', in welcher Grund

Du fallen wirst mit Grauen.


4.

Da findet sich kein schöner Saal,

Kein Vorhauß, keine Kammer,

Es heist und ist ein Ohrt der Quahl,

Den Satans starker Klammer

Fest aneinander hat verpicht,

Es ist ein Wohnhauß ohne Licht,

Ein Schwefelloch vol Jammer.


5.

Man wird Dich auch an disen Ohrt

Nicht sanft zu Wagen bringen:

Ach nein, du must mit Grausen fohrt

Und in den Abgrund springen.

Es wird, so bald du fährst davon,

Wie Datan und den Abiron

Die Hölle Dich verschlingen.


6.

Gedenk' itz nicht': wie kan es sein,

Daß diser Ohrt sol fassen

Solch eine Meng' und so viel Pein

Die Sünder fühlen lassen?

O Menschenkind, die Höll' ist weit,

Ihr Feld ist groß, die Stätt ist breit

Von Angst und Martergassen.


7.

In disem Loch ist gahr kein Licht

Noch heller Glantz zu finden:

Die liebe Sonne scheint hie nicht,

Man tappet wie die Blinden.

Hie leüchtet weder Mohn noch Stern;

Ein Höllenkind, das lebt von fern

In schwartz verbranten Gründen.


8.

Hie steiget auf ein dikker Rauch,

Erschreklich anzusehen,

Ein rechter Pech und Schwefelschmauch,

Der überal muß gehen:

Ein Schmauch, der billig wird genant

Angst, Jammer, Marter, Quahl uff Brand,

Dafür man nicht kan stehen.
[242]

9.

Wer mag ermessen den Gestank,

Der hier auch wird gefunden?

Der strenge Gift kan machen krank

Uhrplötzlich die Gesunden:

Er ist wie dikker Koht und Feür,

Durch ihn wird alles ungeheür,

Das stinket, überwunden.


10.

Diß grosse Feld hegt einen Brand,

Der schwartz und traurig scheinet;

Doch brennet diß verfluchte Land

Mehr, alß der Sünder meinet.

Bei disen Flammen kan Er sehn

Die Plagen, welche dort geschehn,

Die man zu späht beweinet.


11.

Diß Höllenfeür ist schreklich heis,

Kan Stein und Stahl verzehren.

Der ewig' Angst und Todesschweis

Wird die Verdamten nähren.

Diß Feür das brennet grausahm zwahr,

Verbrennet doch nicht gantz und gahr

Die, so den Tod begehren.


12.

In diser Traur- und Jammernacht

Ist lauter Angst und Schrekken.

Ach höret, wie der Donner kracht,

Es blizt an allen Ekken;

Es prasselt stets an disem Ohrt,

Die Winde brausen fohrt und fohrt,

Der Hagel bleibt nicht stekken.


13.

Ein jeder Sünder hat sein Loch,

In welchem Er muß quählen,

Den unter disem TeüfelsJoch

Hat einer nicht zu wehlen:

Man darf nicht schweiffen hin und her,

Des Satans Macht fält viel zu schwehr,

Er hat da zu befehlen.


14.

Die Stoltzen werden allzumahl

Dort bei einander sitzen;

Die Säuffer werden in der Quahl

Den süssen Wein außschwitzen.

Den Schindern wird die Gnade theür,

Die Hurer wird das Höllenfeür

In Ewigkeit erhitzen.


15.

Wer ist, der das erdulden kan,

Waß die Verdamte leiden?

Ihr freche Sünder, denkt daran,

Ihr müsset plötzlich scheiden.

Ist Eüch der Kärker hier zu viel?

Ach Gott, das ist nur Kinderspiel,

Dort wird es anders schneiden.


16.

Magst Du nicht hier gefangen sein?

Wie wirst Du den ertragen,

O Mensch, der Höllen Angst und Pein

Den Rauch, Gestank, das Klagen,

Die Finsterniß, des Donners Macht?

Heüt ist die Zeit, bald guhte Nacht

Der argen Welt zu sagen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 242-243.
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