Der tot mit Cupidine

[194] In der hagenblüt Frauenlobs.


23. febr. 1546.


1.

Als eines nachts der tot

bei einem wirt zu herberg war,

hing auf sein köcher mit sein totenpfeilen

Mit dem er bracht in not

die alt verlebten langer jar,

musten durch sein geschoß zum grabe eilen.

Nach dem Cupido, ein got der lieb, spate

auch in die herberg zu dem wirt eintrate,

den legt der wirt in des todes kemnate.


2.

Sein köcher er aufhing,

darin er het der liebe stral,

darmit verwundet die jungen alleine;

Frü in der finster ging

der tot hinweg, nam in dem sal

Cupidinis köcher, meint er wer seine;

Cupido in der finster nam mit eile

des todes köcher mit der toten pfeile;

also erwischt ieder des andern teile.
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3.

Darnach wan der tot schoß

ein alten, so wurt er in lieb

wüten und tet im um ein bulschaft werben;

Und wan Cupido bloß

durch dise pfeil ein jüngling trieb

in lieb, so must er auch der wunden sterben.

Derhalb manch alter noch um liebe wirbet,

dargegen mancher jüngling noch verdirbet,

an der süßen wunden der liebe stirbet.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 194-195.
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