Notizen zum zweiten und dritten Band

[37] Der Ausbruch der französischen Revolution im Jahr 1789 erhöht meine republikanischen Gesinnungen bis zur Begeisterung. Mein Mann, wie Alle damals, theilte sie mit mir; der Moniteur, und die in demselben enthaltenen trefflichen Reden verblendeten uns gegen die Greuel, die wir nur aus Beschreibungen in der Ferne kennen lernten.

Im Jahr 1793 wurde Danzig blockirt und verlor den letzten armseligen Schimmer von Freiheit, den man der Stadt gelassen, er hatte ihr Elend nur vermehrt, aber die empörten Gemüther der Bürger vermochten nicht sogleich dieses zu fassen.[37]

Mein Mann und ich hatten längst beschlossen, mit sehr bedeutenden Opfern unsere Vaterstadt zu verlassen, wenn sie jemals unter preußische Oberherrschaft gelangen sollte, und führten diesen Entschluß aus, sobald wir die Gewißheit erlangten, daß dies unvermeidlich sei, und zwar innerhalb vierundzwanzig Stunden. –

Unsere Emigration durch das damalige schwedische Pommern nach Hamburg. Im März 1793.

Vergleichung beider alten Hansestädte. Das Treiben von vierzigtausend Emigranten in Hamburg; gesellige Zustände, Sitten, Gebräuche wie sie vor fünfundvierzig Jahren dort noch existirten, und allmälig im Lauf von zwölf Jahren sich umgestalteten.

Reise nach Danzig im Jahr 1794, wie ich dort allmälig mit den vorgegangenen Veränderungen mich aussöhnte. Mein Leben in Hamburg, kleinere und größere Reisen nach Holstein, Dresden, Karlsbad, Berlin, doch keine Reisebeschreibung. –

Merkwürdige Bekanntschaften. Klopstock, Domherr Meyer, Tischbein, der Neapolitanische. – Doctor Reimarus, Baron von Staël, Gemahl der berühmten Frau von Staël, Madame Chevalier, Professor Büsch, Graf Reinhard, Professor Meisner aus Prag, Feldmarschall[38] von Kalkreuth, das Sieveking'sche Haus etc., Lady Hamilton, Nelson.

Die große beschriebene Reise von 1803 bis 1805, von der ich nur Einiges nicht Erwähnte nachholen werde, insofern es mich persönlich betrifft. –

Plötzlicher Tod meines Mannes nach unserer Rückkehr nach Hamburg. Mein Entschluß nach Weimar zu ziehen. Ankunft daselbst 1806, vierzehn Tage vor der Schlacht bei Jena. – Wiederfinden daselbst meines alten geehrten Freundes, General Feldmarschalls von Kalkreuth.

Die nun folgende, sehr ereignißreiche Zeit, Goethe's Heirath, seine Frau, sein Sohn August. Meine durch die wunderbare Zeit sich verbreitenden Verbindungen. Herzogin Amalia. Die fürstlichen Personen des Hofes. Die beiden letzten Herzöge von Gotha. Der jetztverstorbene Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin, der damalige Erbgroßherzog von Mecklenburg-Strelitz. Die Herzogin von Hildburghausen. Bettina in Weimar, durch Goethe bei mir eingeführt.

Mein Salon, der wöchentlich zweimal bei mir sich versammelte, und der wohl sobald nicht wieder sich zusammen finden wird. Alle bedeutenden Fremden, die einige Zeit in Weimar verweilten, wurden bei mir eingeführt. Nur wenige der Hauptpersonen,[39] die meine Zirkel bildeten, kann ich hier nennen, ohne zu weitläufig zu werden. Goethe, Wieland, Heinrich Meyer, Falk, Fernow, Bertuch Vater und Sohn, Zacharias Werner, Friedrich Majer, Froriep, St. Schütze, Riemer, Grimm aus Kassel, Fürst Pückler und Viele mehr. – An Stoff fehlte es nicht!

Dann kam der Befreiungskrieg mit seinen gewaltigen Ereignissen, es folgte die ruhige Friedenszeit. Badereisen etc.; überall neue interessante Bekanntschaften. –

Im Jahr 1829 verließ ich Weimar, um am Rhein ein milderes Klima aufzusuchen. Zeit, Raum und meine Stimmung werden entscheiden, wie viel und was ich aus meinem achtjährigen Aufenthalt in Bonn mittheilen werde.

Alte Anhänglichkeit an Weimar hat seit sechs Monaten mich wieder in das Land gezogen, das gewissermaßen mein zweites Vaterland geworden ist, und wo ich, in Jena, das Ende meiner Tage abzuwarten gedenke.[40]

Quelle:
Johanna Schopenhauer’s Nachlaß. Band 2, Braunschweig 1839, S. 37-41.
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