Laxenburg

[158] Der Wandrer.


Welche Oede hier in diesem Garten Gottes,

Wo die Freude sonst mit Zephyrfüßen hüpfte!

Welche Schwindelöde hier!


Ach der Bäume Wipfel und die Büsche flüstern,

Dem Geflüster gleich der Kränz' auf Todtengräbern;

Ach, die Blumenkönigin


Läßt die thaubeträuften Blätter erdwärts hängen,

Vollgeweint von Thränen sind die Blumenkelche:

Alles traurt und Alles schweigt.


Nur der Wasserfall der kunstgebauten Quelle

Unterbricht mit leisem Plätschern, wie mit Seufzern,

Diese Todtenstille hier.[158]


Aus dem grünen Dunkel blicken Marmorbilder,

Wie aus Nachtgewölken Heldengeister blicken,

Trauernd schweigt das Vöglein.


Auf dem schwanken Zweige hängt es seine Flügel,

Blickt mit Einem Aug' in Himmel, wenn ein Wetter

Ferne droht, dann blickt es so.


Darf ein Wandrer fragen, unsichtbare Geister,

Warum herrscht hier diese fürchterliche Stille?

Dieses Klagen der Natur?


Eine Stimme.


Wandrer, siehst du nicht im Busche jenen blassen,

Müden Mann auf einem Rasenbanke sitzen?

Von der Seele Hoheit zeugt


Seiner Augen Blitz, der gleich dem Sonnenstrahle

Mit der schwarzen Wetterwolke ringt. Der erste

Kronentragende ist Er.


Vollgefüllt ist seiner Herrscherthaten Schale,

Erdengold soll er mit Himmelsgold vertauschen,

Gott, der Fürsten Herr, gebot's.


Ich, ein gottgesandter Himmelsbote, harre

Bis des thatenreichen Menschenherrschers Seele

Ihrer Hülle sich entringt.


Zu den Fürsten führ' ich ihn beim Sternenklange,

Die der Zeiten Stolz, der Menschheit Ehre waren;

Kaiser Joseph ist es werth!


Der Wandrer.


Joseph? – Engel Gottes, laß mich mit ihm sterben;

Innig lieb ich meinen Kaiser. Ach, das Leben

Ist mir ohne Joseph – Tod.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 158-159.
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