An den Hauptmann von Beeke in Wallerstein

[470] Der Du über die Tasten des strahlenbesaiteten Flügels

Bald dem Weste gleich schlüpfst, wenn er den Blüthenbusch fächelt;

Bald dem Sturme gleich rasest, wenn er die Wipfel der Tannen

Mächtig rüttelt; Dir, Beeke, des hohen Flügels Beherrscher,

Lächelt mein Genius von der wallumgürteten Veste, –

Wo die blutige Sehnsucht in Felsenquader sich klammert;

Wo des Berges Geist, von schwarzen Locken umflattert,

Mit dem gräulichen Scheitel streift an nächtliche Wolken,

Und die Silberstimme der Freud' im Eisengeklirre

Ewiger Fesseln verschlingt. – Dir röthet die heilige Freiheit,

Beeke, die Wange, wie Morgengold das Antlitz des Beters.

Ha, drum zucken ätherische Funken vom Auge dir nieder,

Wenn dein feuriger Geist den Händen Eile gebietet;

Wenn du Engeln abgehorchte Urharmonien

Goldnen Saiten entlockst; und wenn du am herrschenden Flügel

Strich, und Hauch, und Sang in einen großen Gedanken

Mächtig wirkend verflöß'st. – Geister des Himmels umschweben

Deinen Steinischen Flügel und nicken dir Beifall. Dir lauschen

Kenner von Kopf und Herz. Auch ich belauschte dich, Zauberer,

Schlürfte die Noten in mich, die von den Fingern dir trofen;

Silberfunkelnden Frühthau schlürft so die lechzende Blume.[470]

Ach, da war ich noch frei! – Wie war ich so selig, o Beeke!

Hoch auf lüpft ich das Glas, vom rheinischen Traubengold blinkend,

Drückte dir freudig die Rechte, vom feurigen Spiele noch glühend.

Harmonia's Lieblinge unter dem biederen Volke

Deutschlands – (Orpheus selbst, der Griechen Lehrer, ist unser!)

Gingen vor uns, wie in Wolken vorüber. Die Bardengesänge

Klopstock's und Gluck's ertönten vor uns wie hallende Donner.

Bach, dich hörten wir auch im eigensinnigen Spiele

Voll von Tiefsinn, der Mode Affensprünge verachtend.

Naumann und Schuster, Hiller und Neese, sich traulich umschlingend,

Alle Geweihte des sanften Klaviers erschienen. Da flogen

Süße goldbeschwingte Stunden lächelnd vorüber.

– Aber Beeke, nun nah' ich mich traurig dem Strahlengewebe

Meines Saitenspiels. Vom wiedertönenden Boden

Hallen nur Seufzer zurück; sein Stern ist zerfressen von Thränen.

Beeke, wo bist du, daß ich am Hals dir wein' und – verstumme! –

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 470-471.
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