[388] Freundschaft, Himmelstochter,
Komm und höre mich!
Im geweihten Liede
Göttin, sing ich dich.
Laß von Sympathieen
Meine Seele glühen,
Daß von deinem Licht erhellt,
Dir das Lied gefällt.
In der Wüste trauernd
Hat ein Menschenfreund
Einstens vor dem Himmel
Seinen Gram geweint:
»Schöpfer meines Herzens,
Kenner meines Schmerzens,
Sprich, was soll dies Zittern hier,
Dieser Drang in mir?[388]
Löw' und Wolf und Tiger,
Wild und zahmes Vieh
Haben für mich Armen
Keine Sympathie.
Felsen, Berge, Meere
Füllen nicht die Leere,
Hellen nicht die Dunkelheit,
Die mein Herz entweiht.«
Gott der Menschenvater
Hört den Klager an;
Und, mit Himmelsklarheit
Lieblich angethan,
Kam zum Menschenfreunde,
Der in Wüsten weinte,
Freundschaft. – Groß und gut und mild
War der Göttin Bild.
Ihre Lippe hauchte
Sanft ins Menschenherz
Mitgefühl für Freude,
Mitgefühl für Schmerz;
Seelen wurden Flammen,
Schlangen sich zusammen,
Und zum Herzenbilder drang
Nun ein Zweigesang.
Freundschaft macht die Menschen
Gottes Engeln gleich,
Macht sie froh im Kummer,
In der Armuth reich;
Und an ihrem Stabe
Wandeln wir zum Grabe,
Sprechen zu dem Freunde: dort
Daurt die Freundschaft fort.
Freunde, stark und dauernd
Wie die Ewigkeit
Ist die Brudertreue,
Die ich Euch geweiht.[389]
Macht nicht Mädchenliebe
Oft das Leben trübe?
Nur die Freundschaft hat allein
Ewig Sonnenschein.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.
42 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro