Eilfter Brief.

Ernestinchen an Fiekchen.

[85] Liebstes Fiekchen!


Ich habe deinen Brief erhalten, und eine Menge Thränen darüber vergossen. Wenn du wüßtest, wie viel Antheil ich an deinen Fadium nehme, so würdest du mich gewiß noch einmal so sehr lieben, als du itzt schon thust. Armes Mädchen! du mußt viel ausstehen, aber der Himmel wird dich nie verlassen, da du eine so aufrichtige Seele bist. – Ich stehe dermalen wirklich auf dem Punkt, in deine Fußtapfen zu treten; und damit du siehest, daß ich dir an Aufrichtigkeit nichts nachgebe, will ich dir alles schreiben, was sich bisher bei uns zugetragen hat.

Seit dem Abend, da die Frau Tante[86] den Herrn Rittmeister mit ihrer Balsambüchse so einsalbte, kam er ganze vier Wochen lang nicht in unser Haus. Das war dir ein Leben; – Sie stellte sich in alle Winkel, und flennte; und gab keinem Menschen ein gutes Wort: überhaupt war die ganze Zeit über nichts mit ihr zu machen. Endlich stellte er sich wieder ein, und ihre Freude darüber war unbeschreiblich. Er schien aber ganz anders gesinnet, als vorher. Er blieb nicht mehr so lange bei ihr allein, ausgenommen, ich war dabei; hingegen war er aus meinem Zimmer oft Tage lang nicht zu bringen. Von dieser Zeit an machte er mir, wenn wir allein waren, alle nur erdenkliche Karessen.

An meinem Geburtstage ersuchte er die Frau Tante, daß er mich anbinden dürfe; und schickte mir dann zu einem ganzen Kleide Tafft, nebst einem Paar silbernen Schuhschnallen. Wer könnte wohl so einem Manne feind seyn? – –[87]

Vor vierzehn Tagen bat er midi, daß ich ihn doch eine Nacht bei mir schlafen lassen möchte; und ich erlaubt' es ihm. Ich gieng Abends wie gewöhnlich zu Bette, legte mich aber nicht nieder; sondern blieb angezogen, in Gedanken und schmerzhafter Erwartung an dem Fenster sitzen, und sah bisweilen hinunter. Eben als die Glocke eilf ausgebrummet hatte, sah ich Einen in einem Bauerkittel, und einen Reiter kommen, der eine Laiter trug, die er ohne Umstände an mein Fenster setzte; worauf der Bauer in die Höhe stieg.

Ich war ganz voll Schrecken, einen fremden Menschen zu sehen; aber er verschwand, als ich in ihm den Herrn Rittmeister erblickte, der, um nicht erkannt zu werden, sich so verkleidet hatte. Er gab mir seinen gewöhnlichen Kuß, und hieß mich guten Muthes seyn; in dem Augenblick aber fiel mir ein Zweifel bei, den ich ihm mit der größten Ängstlichkeit eröffnete. Ich[88] frug ihn nemlich, ob ein Mädchen, wenn ein Mann bei ihm geschlafen, noch eine Jungfer sey. Mein Vorsatz war, ihn, wenn er mich dessen nicht gewiß versichern könnte, nicht bei mir zu leiden; aber er versicherte mich, daß ich im Gegenteil eine doppelte Jungfer würde, und bekräftigte mir solches mit so viel Exempeln, und Schwüren, daß ich endlich über diesen Punkt ganz beruhigt wurde.

»Wo hast du denn dein Bettchen?« fragte er: und als ich es ihm gezeiget, leitete er mich dahin, und setzte sich mit mir darauf. Er ermahnte mich sogleich, meine Röcke auszuziehen. Vergebens wandte ich ein, daß es Schande sey, im Hemde bei ihm zu bleiben. Er stellte mir vor, daß es ja Nacht wäre, und die Röcke zu viel Platz einnehmen würden; kurz, er legte selbst Hand an: da er aber des Aufbindens nicht recht kundig war, so verknüpfte er sie mir. Doch er wußte sich zu helfen,[89] wie Alexander mit dem Gordischen Knoten, und streifte sie mir über die Füße; worauf er sich neben mir hinlegte, und mir an die Feige griff; endlich aber die Hosen eröffnete, und mit seiner Patrone angerücket kam.

Er kniete zwischen meine Schenkel, richtete seine Maschine an das Schwarze, und fieng mich damit gewaltsam zu drücken an: Es that mir wehe, und ich bat ihn himmelhoch, aufzuhören; er gab es aber dem schuld, daß ich zu niedrig läge; nahm daher meine Röcke, rollte sie zusammen, und stopfte sie mir unter den Hintern, worauf er sich wieder in die vorige Positur setzte: allein es gieng darum eben nicht besser.

Ich weinte und flehete; aber der Herr Rittmeister wurde so grausam, daß er mir keine Antwort mehr gab, und wie ein unbarmherziger Barbar, nur immer drauf los stieß. Bei jedem Stoße hätte ich für Schmerz schreien[90] mögen, und fühlte, daß er mir immer tiefer in den Leib kam. Endlich that er so einen Stoß – einen Stoß, wie ein Römischer Widder oder Mauerbrecher an einer Vestung thun könnte; und da platzte es ordentlich in meinem Magen. Zum Glücke hatte ich den Bettzippel im Munde, sonst würde ich laut haben schreien müssen; aber ich hatte ihn im Übermaße meines Schmerzes durch und durch gebissen.

Von dieser Zeit weiß ich nicht mehr was mit mir vorgegangen ist; ich kam ganz außer mir, und wurde ohnmächtig. Endlich erwachte ich wieder, und fühlte mich in des Herrn Rittmeisters Arme. Der Mond schien hell. Ich blickte erschrocken um mich her. Mein Ritter lag auf dem Rücken, und schlief, und die verzweifelte Patrone, die mir so zugesetzet hatte, hieng itzt mit geneigtem Haupte über seinen Schenkel her. Mit inniger Furcht und Ergötzen zugleich betrachtete ich sie; bückte[91] mich, und küßte dies Glied, das mich so sehr gemartert, in der Absicht, es auch, gleich seinem Herrn, zu meinem wahren Freunde zu machen.

In diesem Augenblick erwachte der Herr Rittmeister. Er nahm mich gleich bei'm Halse, und zog mich auf sich nieder, wobei er mir viel hundert Küsse gab. Zu gleicher Zeit bemerkte ich, daß sich seine Patrone wieder füllte, und mich an dem Bauch, wie ein Hebebaum in die Höhe hob. Aus Furcht, es möchte mir noch einmal etwas geschehen, fieng ich an zu weinen, das der Herr Rittmeister meiner Reue zuschrieb, und mich auf's beste tröstete; aber ich hatte nichts mehr zu fürchten: denn es kam der Reiter, und legte die Leiter wieder ans Fenster. Er drückte mir nun etwas in einem Papierchen in die Hand, (zum Andenken, wie er sagte) und gab mir noch einen brünstigen Kuß; stieg hinunter, und entfernte sich.[92]

Ich schlief jetzt sehr vergnügt ein, erwachte aber zeitlich, und stand auf; doch hilf Himmel! welches Spektackel sah ich nicht, als ich mein Bett anblickte! – Ein Fleck, in der Größe einer Suppenschüssel, war so starr, als wenn er gestärket worden wäre; und sah so bunt, wie die Landcharte der sieben vereinigten Provinzen. Mir war angst und bang. Ich besorgte, daß mir etwas im Leibe zersprenget worden, weil es mich spannte; noch mehr aber, daß meine Frau Tante das Bett sehen, und daraus wahrsagen möchte. Lange studierte ich hin und her, was in der Sache anzufangen sey, und endlich verfiel ich dir auf ein Mittel, das unserem ganzen Geschlechte Ehre machen muß. Ich setzte mich auf den Nachttopf, und hofierte ein Bischen hinein, nahm dann meine Stricknadel, und rührte es so lange, bis es sich aufgelöset hatte; und goß es ins Bette, daß es den Fleck ganz bedeckte: worauf ich mich wieder niederlegte.[93]

Da ich zur Kaffeestunde nicht hinunter kam, stieg die Frau Tante zu mir herauf. Sobald ich sie an meiner Thüre hörte, fieng ich jämmerlich zu krächzen an; und da sie an mein Bette kam, klagte ich ihr mit matter Stimme, wie ich sehr heftiges Bauchgrimmen hätte, und die Dissenterie im höchsten Grade. Sie fand die Bescherung im Bette, besah sie durch die Brille, und schrie laut auf: – »Ach daß Gott erbarm! armes Ernestinchen, du hast die Ruhr.« – Sie ließ mir gleich Kissen warm machen, und auf den Bauch legen; brachte auch Hauswurz, und etwas in einem Fläschchen, das ich einnehmen mußte.

Nach einer Stunde that ich ihr zu wissen, daß ich mich besser befände; und gegen Mittag stand ich, zu ihrem großen Triumfe, daß ihre Medizin so gut gewirket hatte, wieder auf, und bekam ein apartes Gerichte von frikassirten jungen Hühnern, die mir recht wohl zu statten kamen. Meine[94] Spannung ließ den andern Tag auch nach, und gestern fühlte ich nicht das Geringste mehr. Der Herr Rittmeister war gestern Nachmittags auch bei uns; allein ich bekam ihn nicht zu sehen, weil ich in meiner Stube für die Frau Tante arbeiten mußte: morgen aber wird er bei uns speisen, und. da kann ich es einbringen, was ich gestern versäumte, und will meine Augen recht an ihm weiden. Lebe wohl, bestes Fiekchen, und glaube, daß ich ewig bin


Dein Ernestinchen.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 85-95.
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