Sechster Brief.

Ernestinchen an Fiekchen.

[36] Liebes Fiekchen!


Ich kann dir doch endlich schreiben, daß das wirklich wahr ist, was ich nimmermehr geglaubet hätte; nemlich, daß der Herr Rittmeister die Frau Tante reitet. In der That sieht die Positur, die sie beide machen, nicht so gar lächerlich aus, als ich mir wegen der Größe des Herrn Rittmeisters vorgestellet hätte. Ich will dir treulich erzählen, was ich gesehen habe.

Gestern war ich in der Wagenschupfen und huckte just neben einer alten Radewelle, als sie vor mir vorbei schlichen. Ich hielt mich ganz ruhig. Sie blieben bei dem Mistwagen stehen, und die Frau Tante stützte sich mit[37] beiden Händen auf die Wagendeistel. Da sie sich noch einmal umsah, sagte der Herr Rittmeister zu ihr: »Seyn Sie nur ruhig, Frau Magisterinn, ich will Ihnen die Schaberaque schon selbst aufheben.« Er legte ihr dann solche nebst dem Hemde auf den Rücken, und machte sich gleichsam einen Sattel; aber es gieng nicht so, wie ich dachte. Er blieb hinter ihr stehen, und nachdem er zwischen ihrem Hintern und seinem Leibe mit beiden Händen genisselt, rückt' er ganz nahe an sie; legte die Hände auf ihren Rücken, als wenn er sich anhalten wollte; bog sich mit dem Oberleibe vor, wie ein Husar; und ruderte wie ein Bauer, der seine alte Gurre von der Stelle bringen will: ausgenommen, daß er sie nicht spornte.

Die Frau Tante kehrte sich nicht im mindesten daran; sondern hielt ihre Deistel vest. Es ist ihr auch nicht zu verdenken, denn sie hat einen Kinderfuß, und überhaupt ist das Pedal nichts[38] mehr nutz. Ich hatte gewiß mit ihm über den Wagen weggesetzt. Es dauerte nicht lange, so machte er einen Kniebug, wie unsre Bauern wenn sie um den Altar gehen; und damit hatte der Betteltanz ein Ende, und sie giengen.

Liebes Fiekchen, du hast mich durch deinen Brief auf des Herrn Rittmeisters Hosenthürchen sehr aufmerksam gemachet, und ich habe befunden, daß er eben einen solchen Schwengel darinnen haben muß, wie dein Bauer; nur daß er vielleicht die Blessur über den Kopf nicht hat. Kaum hatt' ich diese Stelle gelesen, so trat er zur Thüre herein, und satzte sich nieder. Gleich nach ihm kam auch die Frau Tante. Er grüßte sie wie gewöhnlich: und da ich wie ein Häftelmacher Acht gab, so merkt' ich gleich darauf, daß vornen an seinen ledernen Hosen, die ihm wie angegossen anliegen, ein Riegel wurde, der nach und nach wie eine Nudelwalze anschwoll. Er machte zugleich[39] starke Bewegungen, als ob er durch sein Gefängnis brechen wollte, die (wie mich dünkte) auf meine Frau Tante gerichtet waren. Er muß sie doch sehr gut kennen, weil er sie sogar im Finstern unterscheiden kann, und ihr sogleich die Honneurs erzeigen will. Vermuthlich kennet er sie an der Stimme; sonst wüßt' ich nicht wie es zugieng.

Ich bekam diesen Tag noch nähere Überzeugung. Die Frau Tante wurde bald darauf gerufen, die Wäsche zu übernehmen, und ich blieb bei ihm allein. Er mochte merken, daß ich die Augen an seinen Hosen kleben ließ; denn er sah mich an, und lachte. Ich stellte mich ganz unbedeutend, und blickte wieder auf meine Strickerei. Er nahm mich darauf bei'm Kopfe, und gab mir wohl zwanzig Küsse auf alle Provinzen meines Oberleibes; wobei er auch seinen gewöhnlichen Gruß nicht vergaß.[40]

Da das Wehren bei ihm nichts hilft, so muß ich dir sagen, daß ich mir ein für allemal vorgenommen habe, wie eine Katze still zu halten. »Du kleines Schneckchen, hub er an: wenn ich nur einmal mit dir ein Paar Wörtchen im Vertrauen sollte reden können!« -»Mit mir, Herr Rittmeister? – o Sie können reden was Sie wollen; ich bin so verschwiegen, wie eine Mauer.« – »So? ist das wahr?« – »Ja wirklich, ich bin ganz zu Ihren Befehlen.« ... »O das wäre ja Alles, was ich wünschte; – aber – du kleiner Blasengel, (hier nahm er meine Hand, und zog sie hinüber auf seine Knie) wenn ich dir nun itzt befähle ... doch nein, – nicht befehlen; – dich würd' ich allezeit bitten – um jede Gefälligkeit tausendmal bitten.« – »O Herr Rittmeister, hören Sie auf! Sie lassen sich allzuviel gegen mich armen Wurm herab. Was sollte ich, so ein Mädchen wie ich, einem Offizier für Gefälligkeiten erzeigen können?« – »Viele, gar nicht ge ... O[41] du herrliches Geschöpf! (itzt hob er mir die Hand in die Höhe, küßte sie, und legte sie, als von ohngefähr, auf das Hosenthürchen, daß ich die Schwüle darunter recht eigentlich fühlen konnte.) – Ich liebe dich recht sehr .... Könntest du mich denn auch wieder lieben?« – »Ich liebe Sie so schon. Eine gute Christinn muß ja jeden Menschenlieben.« – »Jeden? Das wäre nichts. Du müßtest mich ein Bißchen mehr lieben, als Andere.« – »Auch das, Herr Rittmeister. Es kömmt ja auf eine Hand voll Hutzeln nicht an.« – »So, das ist recht. Du bist ein Mädchen, wie ein Husar; und die hab' ich recht gerne.« ... »O gleich wollt' ich reiten lernen, besser, als mancher von Ihren Rekrouten.« ... »Nun warte, du kleine Büchse, weil du so prahlest, so must du mir einmal probiren, ob du die Tempo zum Exerciren nachmachen kanst; und für jeden Fehler sollst du mir einen Kuß geben.« – Er nahm nun sein spanisches Rohr, exercirte mir die[42] Tempo vor, und gab es mir dann selbst in die Hände. Als es zum Laden kam, trat er hinter mich, um (wie er sagte) zu sehen, ob ich rückwärts das Tempo mit der Patrontasche gut ausdrückte. Sobald er kommandirte: Ergreift die Patrone! Eins! ... griff ich schnell hinter mir hinab, und kam in seinen Hosenlatz, den er ganz still aufgemachet hatte, und der vermuthlich in Ermangelung etwas andern die Patrontasche vorstellen sollte; wo mir aber statt der Patrone sein ... ich weiß nicht, wie ich es nennen soll – in die volle Hand kam.

Er war sehr hart und steif; wie mich dünkte, gar dreieckigt; und blähete sich wie ein junger Hengst, der sich nicht will gurten lassen. Ich hielt ihn lange Zeit an einem Orte vest, und getrauete mich nicht, weiter zu gehen; dazu hielt mir auch der Herr Rittmeister mit der einen Hand den Arm, daß ich ihn nicht heraus ziehen konnte, mit[43] der andern aber drückte er meine Finger an seine Patrone, daß ich sie um und um fassen mußte.

Als ich lange so gehalten hatte, fieng er an: »So exercire doch weiter.« – Ich sagte, daß ich die Hand nicht heraus bringen könne. – »Ja so, erwiedert' er: es hängt an deinem Röckchen; – warte ich muß es dir auf die Seite schieben.« – Auf einmal schlug er mir all meine Röcke mit dem Hemde in die Höhe, setzte sich auf den daneben stehenden Sessel, und zog mich so rückwärts zu sich auf den Schoß; wobei ich fühlte, daß mir das Ding an dem Hintern war.

In dem Augenblick öffnete sich die Thüre, und der Herr Onkel gieng durch das Zimmer in ein anderes! »So, so, hübsch vertraulich!« – fieng er an: – »Herr Pastor, da hab' ich Ernestinchen ein Bißchen exerciren gelernet; und nun ist der Rekrut müde.« – »Ja,[44] ja, das glaub' ich. Aber wenn nur die Herren Offiziers alle ihre Rekruten so hübsch auf den Schoß nehmen mußten; ich wette, sie würden sie weniger hudeln.« – – »Herr Pastor, sie exerciret recht brav.« – »Schon recht. Ein Bißchen Bewegung kann dem Mädchen nicht schaden, – es dient zum Wachßthum. – Sie vergeben, Herr Rittmeister, ich werde gleich wieder bei Ihnen seyn .... muß nur meine Trommeltauben füttern.« – Er gieng, und hatte nichts gesehen, als Sitzen; weil er schon ein wenig blöde auf den Augen ist.

Kaum war er hinaus, so bohrte der Herr Rittmeister aus allen Kräften zwischen meine Schenkel hinein, daß es mir wehe that. Er wollte über eine Viertelstunde lang nicht aufhören; aber ich zwickte die Hinterbacken aus aller Macht zusammen. Alles half nichts; bis ich drohte zu schreien, und auch wirklich zu quäcken anfieng. Nun gab er Ruhe; aber er schwitzte[45] dir wie ein Schweinebraten, und konnte lange nicht zu sich selbst kommen, denn er war fast gänzlich außer Athem.

Eben kam die Frau Tante wieder. Sie sah ihn an, und fragte, was ihm fehle. Er klagte über Kopfschmerz; Sogleich zog sie das Balsambüchschen her aus, welches sie ihm unter die Nase hielt; und ob er gleich dagegen heftig protestirte; so mußt' er doch nohlens sohlens daran riechen, und sie beschmiert' ihm Stirn und Nase dermaßen damit, daß er wie ein Marder stank. Er konnt' es vermuthlich nicht länger aushalten; denn er nahm seinen Huth und Degen, und gieng: weil er, wie er sagte, noch einen Schwadronsbefehl zu schreiben hätte.

So sehr ich auch böse auf ihn seyn sollte, da er mir so mitgespielet hat; so kann ich doch nicht anders, als ihn wegen seines Diensteifers loben. Er ist ein[46] geborner, wahrer Soldat. Du kannst es schon aus dem erkennen, daß er, als ich exercirte, für lauter Diensteifer außer sich selbst gekommen, und sich so weit vergessen, daß er mich für einen Karabiner angesehen, und mit Gewalt hat laden wollen.

Hingegen habe ich auch schon oft von glaubwürdigen Leuten sagen gehöret, daß seine Reiter wie die Bürstenbinder exerciren sollen, und das heißt doch gut. –

Wenn jedem Rekruten, den er unter seine Hand bekömmt, so ist, wie mir; so behaupte ich, daß er einen Inspirazionsgeist führet; denn seit der Zeit kömmt es mir beständig vor, als wenn meine Stricknadeln lauter solche Patronen, und die Zwirnknäule Grenaden wären. Ich wette aber auch, er wird mit der Zeit noch General Feldmarschall Lieutnant; da er in seinem Metier so gut bewandert ist.[47]

O Fiekchen, wenn unser König lauter solche Helden hätte, der Türke müßte gewiß bald das Testament machen; ja, was sage ich? – den Teufel (Gott sey bei uns) könnte er damit aus der Hölle jagen. Kurz, er macht seiner Familie viel Ehre, ich bin


Dein Ernestinchen.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 36-48.
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