Neujahrs-Wunsch des Nachtwächters zu Ternate

[90] Weckt eure Gatten küssend auf,

Ihr Schönen von Ternate!

Hört, bey des Jahres neuem Lauf,

Wie mir ein Wunsch gerathe!


Ein Mädchen, das sich Muse nennt,

Durchstreicht mit mir die Strassen;

Und was mein Herz euch gutes gönnt,

Will sie in Reime fassen.


Wohlan! die Freude werde neu,

Wie sich das Jahr verneuet!

Es fliehe finstre Heucheley,

Die sich im Winkel freuet!


Nicht Eigennutz, nur Zärtlichkeit

Sey Stifter unsrer Ehen:

So wird man Hymens güldne Zeit

Auch Jahre dauern sehen.
[90]

Die süsse Falschheit unsrer Zeit

Entweiche von der Erde,

Daß alte wahre Redlichkeit

Noch einmal Mode werde.


Es drohe Miswachs und Verlust

Gelehrten Schmierereyen:

Nur müsse junger Mädchen Brust

Und guter Wein gedeihen!


Gib, Himmel! deinen alten Wein

Den fröhligen Poeten,

Die in der Musen Lorbeerhayn

Oft, leider! durstig treten.


Nur Wasser, alter Weisen Trank,

Gib unsern jungen Weisen;

Und jage den Monaden-Zank

Von freudenvollen Schmäusen.


Der Geiz mag sein erwuchert Gut

Nur hüten, nicht genießen!

Doch laß ein Bächlein güldner Fluth

Auch auf den Weisen fliessen!


Denn unsre Weibchen kosten viel,

Wenn sie uns lieben sollen:

Wieviel erfordert Putz und Spiel

Und wann wir schmausen wollen!


Heil allen, denen Heil gebricht;

Heil sey dem ganzen Staate!

Dieß wünsch ich aus bezahlter Pflicht,

Nachtwächter von Ternate.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 90-91.
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