28. Der Landmann

[261] 1784.


Ihr Städter, sucht ihr Freude,

So kommt aufs Land heraus.

Seht, Garten, Feld und Weide

Umgrünt hier jedes Haus.

Kein reicher Mann verbauet

Uns Mond und Sonnenschein;

Und abends überschauet

Man jedes Sternelein.


Wenn früh des Dorfes Wecker

Aus leichtem Schlaf uns kräht,

Durchjauchzt man rasch die Äcker

Mit blankem Feldgerät.

Das Weib indes treibt singend

Die Milchküh' aus dem Stall:

Laut folgen sie und springend

Des Hirtenhornes Schall.


Wir sehn, wie Gott den Segen

Aus milden Händen streut:

Wie Frühlingssonn' und Regen

Uns Wald und Flur erneut;

Uns blühn des Gartens Bäume;

Uns wallt das grüne Korn;

Uns schwärmt nach Honigseime

Die Bien' um Blum' und Born.
[261]

Uns singt das Vöglein Lieder;

Uns rauscht die blaue Flut;

Uns schwirrt des Hofs Gefieder,

Umpiept von junger Brut;

Uns blöken rings und brüllen

Die Herden durch die Au'n;

Uns tanzt das schlanke Füllen,

Und gaffet übern Zaun.


Die Arbeit aber würzet

Dem Landmann seine Kost,

Und Mut und Freude kürzet

Die Müh' in Hitz' und Frost.

Sein Weib begrüßt ihn schmeichelnd,

Wenn er vom Felde kehrt,

Und, seine Kindlein streichelnd,

Sich setzt am hellen Herd.


Die Bursch' und Mägde strotzen

Von Jugendreiz und Mark;

Ja selbst die Greise trotzen

Dem Alter, frisch und stark.

Und heißt der Tod uns wandern;

Wir gehn, wie über Feld,

Aus einer Welt zur andern

Und schönern Gotteswelt.


Ihr armen Städter trauert

Und kränkelt in der Stadt,

Die euch wie eingemauert

In dumpfe Kerker hat.

O wollt ihr Freude schauen;

So wandelt Hand in Hand,

Ihr Männer und ihr Frauen,

Und kommt zu uns aufs Land.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 261-262.
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