Deutscher und Ire

[215] In England war die Nacht kalt;

Zwei junge Gesellen, wohlgestalt,

Ein Deutscher und Ire, sich trafen

Und sanken auf eine Streu, zu schlafen.


Der eine schaute den andern an,

Und jeder dachte: »Mein Schlafkumpan,

Der ist nicht zu Haus an diesem Strande,

Der ist geboren in anderem Lande.«


Und murmelten drauf zur selben Zeit:

»Und ach, das ist ein Jammer und Leid;

Es scheint, ihm blühten noch wenig Rosen –

Schau seinen Rock und die schlechten Hosen.«


Und riefen endlich wohl lachend zugleich:

»Und du kommst auch nimmer auf grünen Zweig!«

Und da grüßten sie sich, daß hell es geklungen

In deutscher wohl und in irischer Zungen.


Und ob auch keiner den andern verstand –

Treuherzig reichten sie sich die Hand

Und wurden Genossen in Freud und Leide –

Denn arme Teufel waren sie beide.
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Quelle:
Georg Weerth: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Band 1, Berlin 1956/57, S. 215-216.
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