Gobelins

[70] Gobelins (franz., spr. gobb'läng), gewirkte Wandteppiche, die ihren Namen nach einem im 15. Jahrh. lebenden Pariser Färber, Gilles Gobelin, erhalten haben. Gegenwärtig versteht man unter G. alle auf hochschäftigem (Hautelisse) oder niederschäftigem (Basselisse) Webstuhl in Wolle, Seiden- und Goldfäden erzeugten Behänge. Die Technik ist eine der ältesten im Bereiche der Textilkunst, sie beruht auf dem Stopfen (Einziehen von Fäden in eine hoch oder wagerecht gespannte Kette) und hat ihren Ursprung im Orient, wo die unter dem Namen Kilims bekannten Decken als die einfachste Art dieser Wirkereien anzusehen sind. Im 13. Jahrh. entstanden unter arabischem Einfluß mit mechanischen Hilfsmitteln die feinsten derartigen Gewebe oder Schlitzwirkereien in Seide und Goldfäden, die zu Gewandbesätzen Verwendung fanden. Auch China und Japan erzeugten in Seide Gobelinwirkereien in feinster Technik. Im Norden Europas (Schweden und Norwegen) und in den Niederlanden (Burgundische Tapeten) kam[70] die Technick als Bildwirkerei auch schon im Mittelalter in Anwendung: sie fand im 16. Jahrh. in Arras (s. Arrazzi) nach Kartons von Raffael hohe künstlerische Ausbildung und wurde überliefert nach Spanien, Deutschland und Frankreich. In Paris begründeten die Nachkommen des Färbers Gobelin eine Teppichfabrik, die durch Colbert angekauft und 1667 neu organisiert wurde, indem man darin die bis dahin zerstreuten Werkstätten von Haute- und Basselisseweberei vereinigte. Während die Spätgotik die bunte figürliche Musterung der Wandteppiche, die zumeist als Rücklaken für Kirchengestühl benutzt wurden, mit dunkeln Umrißlinien umgab, wodurch eine Wirkung in der Art der Glasfenstermalerei erreicht ist, stellte die Renaissance und spätere Zeit Bilder dar, die in Ausführung der Nadelmalerei den Gemälden vollkommen gleichen. Der Franzose hat für diese Art der Wandteppiche auch die Bezeichnung Tapisseries, so daß man je nach dem Orte der Herstellung von T. d'Aubusson oder T. de Beauvais spricht Im 17. Jahrh fand die sogen. Gobelinwirkerei größtenteils durch Franzosen die weiteste Verbreitung: in Bayern unter Herzog Maximilian I., in Preußen unter dem Großen Kurfürsten, der 1686 den Hugenotten Pierre Mercier mit der Errichtung einer Manufaktur beauftragte. Auch andre kunstliebende Fürsten unterstützten diese Kunst, die aber infolge mangelnder Aufträge nirgends so lange auf der Höhe blieb wie in Paris, wo sie sich am meisten vervollkommte. Zu neuem Aufschwung gelangte die Gobelinwirkerei in Preußen durch die »Berliner Gobelinmanufaktur von Wilhelm Ziesch«, der durch den Hof und die Staatsregierung in seinen Bemühungen unterstützt ward. In neuerer Zeit hat die Herstellung von G. unter der Bezeichnung nordische Kunstweberei (s. d.) in Berlin (Lindhorst), in Scherebeck, Lund in Schweden und andern nordischen Städten eine Erweiterung erfahren, wobei der Charakter der Bildwirkerei etwas zurücktritt und nach Entwürfen bedeutender Maler (Eckmann, Machard, Mazerolle, van de Velde, Mohrbutter u.a.) geometrische Muster oder naturalistische Motive in strenger Stilisierung Verwendung finden. Vgl. Müntz, La Tapisserie (Par. 1883); J. Guiffrey, Histoire de la tapisserie (Tours 1886); Havard und Vachon, Les manufactures nationales: les gobelins, la savonnerie Sèvres, Beauvais (Par. 1889); Gerspach, La manufacture nationale des gobelins (das. 1892); Turgan, Monographie de la manufacture des gobelins (das. 1898); Fenaille, État général des tapisseries de la manufacture des gobelins, 1600–1900 (das. 1903); Hirschfeld, Über die Kunst der Gobelinweberei (Berl. 1904).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 70-71.
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