Vaterunser

[1018] Vaterunser (Gebet des Herrn, Pater noster, Oratio dominica), das Mustergebet, das Jesus seinen Jüngern mitgeteilt hat, zerfällt nach dem ursprünglichen Text von Luk. 11, 2–4 in fünf, nach Matth. 6,9–13 in sieben Bitten (um Zuwendung geistiger, [1–3] und leiblicher [4] Güter und Abwendung von Übeln [5–7]). Der unter dem Namen Doxologie bekannte Schluß (»Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit«) ist unecht und wird in der griechischen und römischen Kirche weggelassen. Das V. war schon in der alten Kirche das heiligste Gebet; Katechumenen durften es noch nicht beten. Bald nahm es eine feste Stelle im Kultus, namentlich in der Abendmahlsliturgie, ein. Jeder getaufte Christ sollte es ebenso wie das Credo lernen und wissen. Karl d. Gr. ordnete an, daß jeder Christ es auswendig hersagen könnte; sonst wurde er als Taufzeuge nicht zugelassen. In der katholischen Liturgie, besonders beim Brevier, findet es reichlich Verwendung, bei der Messe hat es seine Stelle zwischen Wandlung und Kommunion, als Volksgebet wird es meist abwechselnd gebetet, die drei ersten Bitten vom Vorbetenden oder einer Abteilung und der Rest von den übrigen. Im lutherischen Katechismus bildet es das dritte Hauptstück. Förster, Kaiser, Kögel, Lange, Weitbrecht u. a. haben Predigten über das V. veröffentlicht. Vgl. Chase, [1018] The Lord's prayer in the early Church (Cambridge 1891); Rost, The Lord's prayer in 500 languages (Lond. 1905); E. von der Goltz, Das Gebet in der ältesten Christenheit (Leipz. 1901); Dibelius, Das V., Umrisse zu einer Geschichte etc. (Gieß. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 1018-1019.
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