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[241] Mettagū:
O löse mir, Erhabner, diese Frage,
Du, glaub' ich, kennst die Kunde, selbstgenugsam:
Wo sind uns her die Leiden doch gekommen,
So vielgestalt auch in der Welt entstanden.
Der Herr:
1050
Wie Leid entstehe magst du von mir wissen,
Ich will es an dir künden, was ich kenne:
Anhaftend keimen auf, erwachsen Leiden,
So vielgestalt auch in der Welt entstanden;
1051
Unwissend wer Anhaften hat erkoren
Erleidet lässig immer wieder Elend:
Und also wird man weise nicht mehr haften
Wo Leiden man entstehn sieht und erwachsen.
Mettagū:
1052
Um was wir da gefragt, es ward erklärt uns;
Noch frag' ich eines dich, o das verkünde:
Wie kann der Flut entkommen doch der Starke,
Geburt und Alter enden, Harm und Jammer?
Das mag der Denker hold mir offenbaren:
Denn sicher hast ersehn du solche Satzung.
[242] Der Herr:
Die Satzung will ich weisen dir,
Gleich sichtbar, keiner Sage Wort,
Wo klar der Pilger, kennt er sie,
Dem Garn entweichen kann der Welt.
Mettagū:
1054
So heiß' ich gar willkommen mir
Die beste Satzung, großer Herr,
Wo klar der Pilger, kennt er sie,
Dem Garn entweichen kann der Welt.
Der Herr:
Was irgend wahr du nehmen magst,
Von oben, unten, oder mittendurch:
Genüge wirst du, wirst Gewöhnung meiden,
An kein Gebilde binden dein Bewußtsein.
Wer also klar und unermüdlich ausharrt,
Als Pilger hat verwunden alle Meinheit:
Geburt und Alter enden, Harm und Jammer,
Schon hier, das weiß er, wird er lassen Leiden.
Mettagū:
1057
Gar hoch willkommen heiß' ich, Herr, dein Meisterwort,
Anhaften wie es, Gotamo, so ganz vermahnt;
Gewiß, Erhabner, bist entgangen Leiden:
Denn sicher hast ersehn du solche Satzung.
[243] 1058
Und können die nun lösen sich von Leiden,
Belehrst du sie, o Denker, was da not ist,
So ehr' in dir ich, seh' den großen Ilphen:
O daß er noch was not ist an mir deute!
Der Herr:
Als Priester wen man preisen darf gewitzigt,
Entwesen wer an keinem Wunsche haftet:
Entkommen ist er so gewiß den Fluten,
Am Ufer angelangt unsehrbar sicher.
Als Kenner so gewitzigt wer da worden,
Bei Sein wie Nichtsein ledig also hanglos,
Von Durst genesen ohne Weh' und Wunsch bleibt:
Geburt und Alter hat er überwunden.
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