Drittes Buch.

Die Nachrede.

Ich habe geleistet itzt, was ich erwarten lassen. Es wird klar geworden seyn einem jeden, der bis hieher mir mit Theilnehmung gefolgt, wie ich doch habe bewogen werden mögen auszubeugen am Abend meiner Tage aus dem ruhigen und harmlosen Lebenswege, worauf ich sechszehn Jahre lang in goldner Muße und seliger Verborgenheit gewandelt, und einzulenken dagegen in eine Laufbahn, welche weder würdiger noch segenreicher, weder arbeitfreyer noch genußvoller, als die frühere gewesen; welche überdies, um mit Erfolg durchwandelt, und mit Ehren vollendet zu werden, betreten werden muß in der Fülle der Kraft und in der ersten Frische und Freudigkeit der Jugend .... Diese Schrift ist unternommen worden, als Nothwehr gegen die Anschuldigungen solcher, welche eben itzt, nach so vielen verstrichenen Jahren noch, von jenem Schritte Anlaß nehmen mich zu verunglimpfen und zu verlästern. Sie ist geschrieben worden, ursprünglich in apologetischer Rücksicht. Allzu leicht nur schlägt die Apologetik um in die Polemik. Es ist nicht thunlich fast, eine Anklage abzuweisen, ohne sie zurückzuwerfen auf den Gegner selber. Allein das Herz ist[163] mir weich geworden über dem Schreiben. Das Gefühl der göttlichen Barmherzigkeit, was während dessen mich übernommen, verbietet mir zu zürnen. Ich will vergeben denen, die an mir gesündigt haben, und will ihnen nicht vergelten das Gleiche mit dem Gleichen. Ich will meine Feder in die Milch der Menschlichkeit tunken, lieber, als in die Galle eines zwar gerechten Unmuths. Mich begnügend, offenbarer Lügen mich zu erwehren, will ich die, welche unkundig der Verhältnisse, und durch die Keckheit der Verleumdungen stutzig gemacht, etwa an mir möchten irre geworden seyn, mit Ruhe eines Besseren belehren.


Was nemlich nunmehr, da ich diese Geschichte geschrieben, von einem jeden, der sie zu lesen würdigt, leichtlich begriffen und gewürdigt werden mag, das wollte damalen, als es geschahe, dem mich umgebenden Publikum allerdings nicht so ganz einleuchten. Es war dem Einen ein Aergerniß; es däuchte dem Andern eine Thorheit. Es fehlten nicht der Dritte, Vierte und Fünfte, welche, da sie sich selbst etwa reinerer Triebfedern nicht fähig fühlen mochten, auch mir nur Unlauteres und Verwerfliches unterschoben, als letztes Motiv eines so auffallenden Entschlusses. Es wurde mir ausgelegt von diesen als ein durstiges Haschen nach immer höhern Ehren und Würden. Es wurde gerügt von jenen, daß ich, mir nicht genügen[164] lassend an dem Ertrage meiner »reichen Pfründe«1 mir zuschlagen lassen auch noch die Einkünfte eines zweyten Amtes. Während wieder Andere, die etwa so schnöde Rücksichten mir nicht zutrauen mochten, jenen Schritt sattsam erklärt und gerechtfertigt glaubten,[165] aus der größern Leichtigkeit und Bequemlichkeit, welche eine Stadt wie diese, als die da reich ist an gebildeten und selbst an gelehrten Zirkeln, darbiete zur Befriedigung der höhern, geselligen und geistigen Bedürfnisse .... Aber laßt uns doch einmal überschlagen, verehrte Freunde und Mitbürger, ob ich denn wirklich gewonnen hätte in Betracht der berührten und ähnlicher Dinge in Folge dieser, Vielen so befremdenden Umsiedlung? Hätte ich etwa gewonnen dadurch an bürgerlicher Ehre? So wenig, daß ich, der bisher als Königlicher Rath zu der Classe der Treuen Männer gezählt, itzt zurücktrat in die der Treuen Diener, welche, wie ihr wißt, um eine ganze Stufe niedriger steht in der politischen Hierarchie des Schwedischen Staates. Sollte ich reicher geworden seyn[166] durch den Genuß der Einkünfte meines doppelten Amtes? So wenig, daß ich vielmehr um nicht wenige Tausende ärmer geworden bin seitdem, sintemalen, wie euch nicht unbekannt, die überaus mäßigen Einflüsse des späteren Amtes nimmermehr auslangen mögen, des Aufwand zu decken, welchen das Vicariat der frühern zu erhalten, mich kostet. Wäre etwa in eurer Mitte mir zu Theil geworden ein größeres Maaß der Muße oder ein minderes der Beschäftigung? Wer die Arbeit des akademischen Lehrers abzuwägen weiß mit denen des Volkslehrers, mag urtheilen, ob dem also seyn möge. Aber auch dem minder Kundigen muß einleuchten, daß es ungleich anstrengenderer Studien, ungleich erschöpfenderer Vorbereitung bedürfe, um Tag für Tag eine oder mehrere Stunden lang einer wissenslüsternen Jugend, die Wissenschaft in ihren Tiefen und in ihrem Umfange vorzutragen, als etwa einmal in der Woche zu dem Volk über seine Pflichten, Hofnungen und ewige Bestimmung aus des Herzens Fülle zu sprechen. Und was anlangt die übrigen Vorzüge, Vortheile, Bequemlichkeiten und Genüsse, welche bey einer Schätzung dieser Art in Anschlag gebracht zu werden pflegen, so vergönnt mir einmal einander gegenüber zu stellen das Dorten und das Hier, das Vormal und das Heute. Dort war ich der Erste unter meinem Volke; hier bin ich Einer der Vielen. Dort war ich Gebieter und Herr; hier stehe ich selbst unter Gebot[167] und Aufsicht. Dort genoß ich einer fast religiösen Verehrung, hier weiß niemand von mir, oder geht, wie recht und billig, im Bewußtseyn höherer Vorzüge gleichgültig vorüber. Dort fuhr ich in meiner staatlichen Kutsche, gezogen von vier mächtigen Schwarzen; itzt da ich älter und schwerfälliger geworden, geh ich fein demüthig zu Fuß. Dort lebt' ich von dem Ertrage meiner Felder, Wiesen, Gärten und Weiher; das Kräftigste, Saftreichste, Frischeste kam auf meinen Tisch; hier muß fürlieb genommen werden mit dem nächsten besten, was durch die Magd zu Haus gebracht wird vom Fisch- und Kräutermarkt. Dort fühlt' ich tagtäglich und allstündlich mich emporgehoben durch die erschütternde Majestät der mich umgebenden Natur; nahe war das Meer, nahe das erhabene Arkona; wollte ich die Wunder der Stubbenkammer sehn, oder mich verlieren in die Bergschründe der Bernsteininsel, ich durfte nur die Pferde anschirren, oder die Segel spannen lassen, und war binnen wenig Stunden am Platze; hier, wenn ich nun endlich einmal, der freyern Luft und des offnen Feldes bedürftig, dem Steinpflaster entronnen bin, und der Vorstädte letzte Mauern im Rücken habe, dehnt sich um mich aus eine weite, meilenbreite, mit der Wasserwage gleichsam abgewogene Fläche; da ist nicht Busch noch Wald, nicht Berg noch Thal noch Anhöhe; und was noch jüngst etwa ungleich und höckrig gewesen[168] um uns her, haben sie eben itzt auf das allerfleißigste sie nach dem Lothe ausgeglichen und abgeplattet. Dagegen nun könnten mir freilich wieder in Rechnung gebracht werden die von vielen, und mit Recht so hoch angeschlagenen Freuden des geselligen Lebens, die erheiternden Versammlungen, die geistreichen Zirkel, die keinem Besseren den Zutritt versagen. Was aber anlangt diesen Umstand, so wisset ihr, verehrte Mitbürger, daß ich, zwischen meinen Büchern eingefangen, und festgebannt an meinen Schreibtisch, in eure Zirkel wenig komme; nicht als ob ich die Menschen scheuete, oder nicht liebte; sondern weil ich mich nicht gemacht fühle für die Gesellschaft, weil die Gabe der Unterhaltung mir versagt wurde, weil ich mich nicht getraue zur Erheiterung oder Belebung so würdiger Kreise etwas von Bedeutung beyzutragen .... Also nicht diese, oder den erwähnten ähnliche Momente sind es, in deren Betracht ich gewonnen habe durch die Veränderung des Berufes, des Wohnortes und der gesammten Lebenslage. Es sind andere, gewichtigere, der Betrachtung unendlich würdigere .... Ich habe gerettet durch diesen Schritt das bischen Athem, das dem Sterblichen so lieb ist. Ich bin erhalten worden in Folge jenes Entschlusses, den Meinigen, welche bis dahin mein noch nicht entbehren konnten. Reichlich und bis zum Ueberfluß bin ich entschädigt worden für die aufgezählten Entbehrungen durch die viel größern[169] ///Güter, die ich um solchen Preis erstanden; diese tiefe Ruhe; diesen heilenden Frieden; diese balsamische Stille; diese Losgebundenheit von hundert ängstigenden Verstrickungen und Verflechtungen; diese Wiederkehr der getrübten Heiterkeit und Wiederherstellung des gestörten Gleichgewichts. Auch soll nicht vergessen werden in der Rechnung, was ich möchte gewonnen haben in Folge meines neuen Berufes und der aus ihm fliessenden Studien an dem innern Menschen. Es soll dankbarlich in Anschlag gebracht werden die Erweiterung der Einsicht in mehr denn einer Richtung, die Hinwegräumung mancher mir sonst lästig gewesenen Schranke, die Uebung solcher Kräfte, die sonst in mir geschlafen hätten oder gerostet wären, das freyere Umherschauen in mancher Gegend menschlicher Kunst und menschlichen Wissens, die mir bis dahin verbaut oder verwachsen gewesen.

Aber auch das hat befremdet zu jener Zeit, und wird eben itzt mir wieder aufgerückt in Tagesblättern und Jahrbüchern, daß ich mir eine Wohnung geben lassen von den fremden Behörden, und daß mir zu Gunsten durch sie ein andrer Professor sey herausgeworfen worden aus der Seinen. Nun dann, was anlangt diesen Punkt, so ist wirklich etwas daran, und das Ding hat einigen Schein. Allein man soll nicht absprechen nach dem Schein, sondern untersuchen erst, und darnach das Urtheil fassen. So höret dann, denen[170] nicht etwa gleich gilt, des Bruders Leumund gerettet zu sehn gegen die Aussage falscher Zeugen! Höret, und lasset euch berichten, wie es mit diesem Handel zusammenhänge, und wie es allstündlich belegt und beglaubigt werden mag mit denen über diese Angelegenheit erwachsenen und in unserm akademischen Archiv gebührend aufbewahrten Schriften.

Es besitzt die hiesige Universität, außer den von den alten frommen Landesfürsten ihr verliehenen Landgütern, Waldungen und andern Grundstücken, eine Menge Häuser, öffentliche sowohl als Wohngebäude, welche letztere den Akademikern nach einer gewissen, theils durch das Gesetz, theils durch das Herkommen festgestellten Ordnung zugetheilt werden; wie denn unter andern auch die an sich löbliche und billige Einrichtung sich gemacht hat, daß, wenn ein solches Haus erledigt worden, von den Mitgliedern der damit beliehenen Facultät das Recht der Vorwahl geübt werde nach dem Alter der Vollmachten. Da jedoch die Erhaltung so vieler Gebäude dem akademischen Aerario alljährlich sehr hoch zu stehen kam, so war in dem letzten Visitations-Receß beschlossen worden, freilich viel zu rasch und unumsichtig, daß alle diese Wohnhäuser, eins und anderes ausgenommen, deren man nicht füglich entbehren konnte, in dem Maaße, als sie erledigt würden, verkauft, den Academikern aber statt der Naturalwohnung ein angemessenes Locarium ausgezahlt[171] werden solle. Nun hatte zwar die Akademie gegen einen, den Mitgliedern so bedeutenden Nachtheil drohenden Beschluß, sich bey des Königs Majestät unmittelbar verwendet. Da jedoch die Vorstellung ohne einige Antwort geblieben, so mußte natürlich angenommen wer den, daß es bey dem einmal gegebnen Befehl sein Bewenden behalten solle.

Nichts desto weniger hatten bald nach meinem Anzuge die Mitglieder der philosophischen Facultät eine neue Vertheilung der ihnen zustehenden, durch mehrere Todesfälle erledigt gewordnen Wohnhäuser getroffen, voraussetzend freilich, daß solche von dem jeweiligen Souverain, wer derselbige auch seyn möge, als welchem allein von jenem Gesetz zu dispensiren zustände, würde gutgeheissen werden. Mit Nachsuchung dieser Zustimmung hatte man sich um so weniger übereilen wollen, als keiner der Betheiligten, von der getroffenen Vereinbarung zur Zeit noch Gebrauch machen konnte, indem die meisten dieser Häuser nebst andern damit in Verbindung stehenden Gebäuden einstweilen zur Einrichtung eines Lazarets für die fremden Truppen hatten hergegeben werden müssen.

Mittlerweile ging aus Schweden die Nachricht ein, daß unser Professor der Astronomie, ein geborner Schwede, der beym Ausbruch des Kriegs in sein Vaterland geflüchtet war, eine theologische Professur in Upsala überkommen habe, und nicht wieder zu uns[172] zurückkehren werde. Mithin war nunmehr dessen bisheriges Wohnhaus als erledigt anzusehn, allerdings eins der ansehnlichsten und geräumigsten von allen. Mir zumahl war dieses Haus anlockend durch den Umstand, daß dessen obere Stockwerke nach allen Strichen des Horizontes hin eine freie und ungehemmte Aussicht gewährten, deren ich bey meiner Stimmung und innigen Naturliebe zu meinem geistigen und leiblichen Wohlseyn nicht füglich entbehren konnte. Es mochte jedoch des bestehenden Gesetzes halber über dieses Haus so wenig, als über die früherhin erledigten auf die herkömmliche Weise verfügt, es mußte erst die Erlaubniß dazu nachgesucht werden; und diese Erlaubniß konnte nicht das Concilium, als erste Instanz, nicht das Canzellariat, als zweyte, es konnte sie strenge genommen, nur der Souverain ertheilen, und der, welchen der Souverain zur Handhabung seiner Rechte bevollmächtigt hatte. Ich meines Theils würde jene beyden Instanzen in dieser Angelegenheit gleichwohl keineswegs übergangen seyn, ich würde sie vielmehr um ihre Verwendung bey der obersten Behörde ersucht haben, wenn nicht die erstere mir kurz vorher ein höchst gerechtes und noch niemanden abgeschlagnes Gesuch geradehin abgeschlagen hätte, letztere aber, da ich in derselben Sache appellirend mich an sie gewendet hatte, mir die Antwort überall schuldig geblieben wäre.[173]

Nichts blieb mir übrig bey solcher Gestalt der Sachen, als um den Niesbrauch jenes Hauses anzuhalten bey der Macht, die allein ihn zuzugestehn berechtigt war. Zuvor jedoch glaubte ich mich überzeugen zu müssen, daß meine Facultäts-Collegen nichts dagegen hätten, daß diese Wohnung mir zugestanden würde. Von den beyden älteren konnte ich dessen in Voraus versichert seyn, da selbige die beyden Flügel des akademischen Pallastes inne hatten, welche ihnen in Hinsicht dieses Bedürfnisses, nichts zu wünschen übrig liessen. Von den beyden rückständigen versicherte mich der eine, der Professor der Philosophie, daß er die ihm neulich zugefallne Wohnung, für welche, als für die vieljährige Behausung eines seiner verehrtesten Lehrer, des vormals berühmten Philosophen Ahlward, er von Kindheit auf eine Art von frommer Vorliebe genährt, mit keiner andern zu vertauschen wünsche. Der andere, der Professor der Physik, erklärte, daß er die bey Gelegenheit der neuerlichen Umfrage ihm zugesprochne Wohnung sich ausersehen habe, wegen des dabey belegenen überaus anmuthigen Gartens; da es nun dem eben itzt erledigten Hause an einem solchen gänzlich fehle, so gelte ihm gleich, wer solches überkäme.

Itzt säumte ich nicht länger, saß hin und schrieb an den Grafen Villemanzy, durch welchen, seit dem Soult abgerufen worden, in Dingen dieser Art erkannt[174] wurde, vorstellend: daß durch die anderweitige Anstellung unsers Professors der Astronomie dessen bisheriges Wohnhaus erledigt worden; daß solches in Gemäßheit des letzten Recesses nun zwar eigentlich verkauft werden müsse; daß jedoch unter den jetzigen Zeitumständen, wo die Häuser allen Werth verloren hätten, ein solches Losschlagen dem akademischen Aerario sehr nachtheilig werden würde; daß ich bäte daher, daß mir, der ich bis jetzt zur Miethe gewohnt, und dieses Haus meinen Umständen angemessen fände, dasselbe einstweilen zugestanden werden möge, da dann die eben jetzt dahin verlegte Buchdruckerey gar leichtlich anderswo untergebracht werden könne ... Umgehend ward mir geantwortet; daß meine Vorstellung eingegangen sey, daß Noth thue, über die Lage der Dinge zuvor gebührend aufgeklärt zu werden, daß deshalb bereits behufige Aufträge an die Intendantschaft zu Stralsund ergangen seyn; und daß in Folge ihres Berichtes die Entscheidung allernächstens erfolgen solle.

Während dessen, und ehe noch die Entscheidung einging, ließ jener Professor der Physik, der das Haus mit dem Garten gewählt, sich einfallen, das Haus was er bis itzt bewohnt, und dessen Bequartierung ihm beschwerlich fiel, zu verlassen, und den obersten Stock des in Frage seyenden Hauses zu beziehn, gänzlich eignen Geheisses, und ohne die Zustimmung weder[175] der Facultät noch des Concilii deshalb nachgesucht zu haben. Hinten her erst meldete er dem Letztern, was er gethan, und stellte das von ihm geräumte Haus zu dessen Disposition. Natürlich fand das Concilium durch ein so eigenmächtiges Benehmen sich in gleichem Grade befremdet und beeinträchtigt. Es ermangelte nicht, ihm zurückzuschreiben, daß es sein unbefugtes Umsiedeln im geringsten nicht genehmhalten könne; daß es erwarte, ihn ungesäumt in seine vorige Wohnung zurückkehren zu sehn, auch selbige nach wie vor, als die seinige betrachten, und für seine Rechnung bequartieren werde. Unser Professor, ganz in der Weise jener anomalen Zeit, wo kein König in Israel war, und, jeder that, was er glaubte durchsetzen zu können, ließ das Rescript seiner Obern auf sich beruhn, und diese ihrer Seits thaten in Hinsicht des ganzen Vorgangs das Gleiche.

Nicht lange nach diesen Geschichten ward dem Concilium geschrieben aus der Intendantschaft, daß, da durch die Beförderung des Professors der Astronomie im Auslande dessen bisherige Wohnung erledigt worden, ich aber bis itzt noch mit keiner akademischen Wohnung versehen gewesen, solche mir hiemit ertheilt seyn, und mir geräumt werden solle, sobald ich es verlangte. Eine so einfache Sache würde keinen befremdet, es würde die Gelebung der Ordre nicht die geringste Verlegenheit verursacht haben, zumal da für[176] die Druckerei sofort ein schickliches Local ganz in der Nähe ausgemittelt wurde, wenn nicht jener trefliche Mann den unzeitigen Einfall gehabt, eigenmächtig eines Theils des in Frage stehenden Hauses sich zu bemächtigen. Ihn, der sich vermessen hatte, seine Eroberung zu Trotz des Concilii zu behaupten, mußte nun freilich wohl verdrießen, sich compromittirt zu sehn mit einer Autorität, welcher sich zu widersetzen ihm nicht rathsam schien. Sobald jedoch nur der erste Aerger in ihm verkühlt war, vertrugen er und ich uns in der Güte. Ich ließ ihn wohnen vom Dato des Rescripts an, noch bis in den sechsten Mond. Auch als ich längst eingezogen war mit den Meinigen in den untern Stocken, ließ ich ihn droben ungestört sein Wesen treiben, bis ihm endlich bequem ward, ein ihm längst zu Gebot stehendes, ungleich anmuthigeres Local zu beziehn, das er dann nach achtzehn Monaten, (zu unser Aller Leidwesen; denn er war ein tüchtiger Mann, auch der höhern Analyse vollkommen kundig, wiewohl des Vortrags Gabe ihm abging) mit der letzten engen Wohnung vertauschte .... Ich meines Theils habe das Haus, das aus der Ferne mir so einladend erschien, meinen Umständen so wenig zusagend gefunden, daß ich bey der nächsten schicklichen Gelegenheit an einen jüngern Collegen es abtrat, und den rechten Flügel des Collegiengebäudes bezog, welchen ich noch itzt bewohne.[177]

So nun ist es zugegangen mit diesem Handel, und nicht anders. Und diejenigen, die nach sieben verstrichnen Jahren die alte längst verschollene Klatscherei wieder aufzuwärmen, und Tagsblätter und Zeitschriften damit anzuschwellen, keine Scheu tragen, wissen recht gut, daß die Sache sich auf diese Weise gemacht habe, und auf keine andre. Wenn sie nun gleichwohl das Eine sagen, und das Andre verheimlichen; wenn sie den Enderfolg hinstellen, nakt und baar, die Momente aber, aus welchen solcher hervorgegangen, und nach welchen die Thatsache gewürdigt werden muß, geflissentlich in Schatten halten; so thun sie freilich nur, was sie alle Tage thun; was sie thun, so oft sie die Geschichte, die Alten, die Bibel citiren; was zu thun aber nicht den Kindern des Lichtes geziemt, sondern nur solchen, die sich verkauft haben an den Vater der Lügen.

Ueberhaupt aber verdenken sie mir, oder vielmehr, es stellen jene Afterreder sich an, als ob sie mir verdächten, daß ich bey den Fremden mein Recht gesucht, und von den Feinden das Amt mir habe geben lassen .... Und wie anders hätte ich es dann anfangen sollen, ich bitte? Und ist es nicht einfacher, würdiger, edler, das Amt, dem man sich eben gewachsen fühlt, nachzusuchen bey der dasselbe verleihenden Macht; (wie sie gekommen zu ihrer Befugniß, darüber magst du mit dem Gotte hadern!) als die Aemter zu[178] erkriechen durch Speichelleckerei, oder sie zu erschleichen mittelst der Schürze, oder sie zu erkaufen mit schnödem Golde? War etwa ich der Erste und Letzte im Lande, der sich hätte befördern lassen durch den Eroberer, der Kronen gab und nahm, in jener herben Zeit? Sitzen nicht eben itzt, da ich dieses schreibe, in unsern ehrwürdigsten Collegien und Corporationen Männer, welche angestellt worden sind ganz auf die gleiche Weise?.. Oder sollten etwa die erledigten Aemter ledig geblieben seyn während jener schrecklichen königlosen Zeit? Sollte das Volk nicht getröstet, die Jugend nicht unterwiesen, das Recht nicht gesprochen, das Gesetz nicht gehandhabt, der Staat nicht verwaltet werden in Tagen, wo es zu diesem allen gerade der Tüchtigsten und Kräftigsten im Volk bedurfte? ... Oder wären etwa Untüchtige diejenigen, die von den Ausländern angestellt wurden? Gehören nicht vielmehr gerade diese zu den Ehrwürdigsten ihres Standes? Sind nicht Männer unter ihnen, welche ausfüllend ihren Platz mit Kraft und Nachdruck, weniger geehrt werden durch das Amt, als das Amt durch sie? Gewiß, diese Fremdlinge und Eindränglinge wußten gar wohl in Fällen dieser Art, was ihnen zu thun gebühre. Keinesweges wird ihnen nachgewiesen werden können, daß sie die Aemter und die Würden verschleudert hätten an Kreaturen und Nepoten, an Schmarotzer und Schmeichler, um schnödes[179] Gold und glatte Worte? Sie pflogen Rathes zuvor mit den Behörden. Sie zogen Kunde ein von der Bewerber Gaben und Verdiensten. Es war ihnen ein Ernst darum, den Würdigsten herauszufinden; und eben weil es ihnen damit ein Ernst war, haben sie meistens gefunden, was sie suchten.

Allein es ist auch jenes alles nicht das, was, die mich lästern, eigentlich reitzte. Es kümmert sie im Grunde nicht groß, wer ich vormals gewesen, oder wie ich es getrieben, wenn ich nur itzt mit ihnen es wollte halten. Ich hätte mögen ihrethalb schalten und walten in der letztverfloßnen Zeit nach des eignen Herzens Lust und Belieben; ich hätte mögen prassen und schwelgen an den Tafeln der Ausländer, den Hof machen ihren Phrynen und Ganimeden, preisgeben ihrem Gelüste die eigenen Töchter und Mündel, und zum Lohn mir zuschlagen lassen Lieferungen und Commissariate, und des Landes fetteste Güter: in die Wette mit ihnen hätte ich mich mögen mästen von dem Mark der Dürftigen, und mich berauschen in den Thränen und dem Blute des ausgesognen Volkes; das alles hätte ich thun mögen, und noch Schlimmeres; schinden hätt' ich mögen wie Verres, und prassen wie Vitellius; stehlen wie Achan, morden wie Doeg, verrathen küssend wie Ischarioth, lügen dem heiligen Geist ins Angesicht wie Ananias und Sapphira; wenn ich itzt nur, da die Windfahne sich gedreht, wollte heulen[180] mit den Wölfen, und belfern mit den Rüden, und mit den Gänsen schnattern; wenn ich nur wollte, mit ihnen Chorus machend, fluchen dem Franzosenthum, und niederfallend anbeten vor dem bleiernen Kalbe, das sie sich gegossen haben, vor ihrem dummen Götzen Teutschthum; dann wäre ich ein rechter Mann und Held, ein zweyter Hutten oder Hartmut, und würde, als ein solcher, hochgefeiert und lobgepriesen in den Zeitungen und Zeitschriften .... Weil ich aber solches weder kann noch mag; sintemalen die französische Volkseigenthümlichkeit sicherlich eben so achtungswürdig ist in ihrer Art, wie nur immer die der Britten und der Deutschen; weil ich das achte Gebot bedenkend schändlich finden würde, Böses nachzusagen solchen, von denen ich meines Theils nur Gutes erfahren, und in Erfahrung gebracht; so erfrechen sie sich, mich der Ausländerei zu zeihen und des Hochverraths am Vaterlande, mich, den Schlichten, Faltenlosen, der in der altväterlichen Einfältigkeit dermaßen ersteifte und erstarrte von seiner Jugend auf, daß nie auch nur die verschämteste Andeutung modischer, geschweige ausländischer Glättung oder Modelung hat haften mögen so wenig an seinem Aeußern als an seinem Innern. Weil ich gewagt, die Mäßigung zu predigen in den Tagen des Unmaaßes, und die Sitte in Schutz zu nehmen gegen die Rohheit; weil mir gewidert ihr wüstes Gebrüll, und mir Bauchgrimmen[181] erregt ihre huronischen Schlachtgesänge; weil ich geeifert gegen den neuen Terrorism, und gewarnt vor den Knipperdollingen des Tags und vor den zweyten Marats; weil ich mich nicht vermesse zu richten Den, welchen zu richten nur der Nachwelt gebührt und der Geschichte und dem Gott; weil mein historisches Gewissen mir nicht erlaubt, ein verwandtes Nachbarvolk zu verläumden und zu verlästern, dem das Menschengeschlecht leichtlich eben so hoch verhaftet und verpflichtet seyn dürfte, als dem Unsern; weil ihre gespielte Frömmigkeit mir ein Gräuel ist, und die religiöse Schminke mich dünkt der Ruchlosigkeit Gipfel; weil mich widersinnig, um nicht zu sagen lästerlich bedünkt, das Kreutz zu paaren mit dem Schwerdt, das Werkzeug unsrer Entsündigung mit dem der Sünde, das Symbol der leidenden Hingabe mit dem der Selbstwehr und Selbstrache; weil es mir wehe thut, die eigenen Brüder das Evangelium der Liebe verzerren zu sehn zu dem Kakangelion des Hasses, fluchen zu hören, die da segnen sollten, den Dolch zucken zu sehn, welche berufen wurden, den versöhnenden Kelch zu reichen; weil mir widersteht, ein doppeltes Recht anzuerkennen, das eine, welches gelte auf dem Trockenen, das andere, was auf dem Meere; weil ich mich weigere, was in unserm Erdtheil schändlich und verabscheuungswürdig geachtet wird, löblich und preiswürdig zu finden in den drey oder vier übrigen; weil[182] Italiens Entjochung und Polens Herstellung mir nicht minder Sache der Menschheit dünkt, als die Erlösung Deutschlands; weil das Menschenthum mir höher steht, als das Volksthum, und der Gattung gemeinsames Vaterland höher, als des Einzelnen Heimath; weil die Erdscholle, die mich trägt, mich nicht der Nabel des Universum bedünkt, noch der Augenwink, noch das Fingerschnalzen, während dessen ich athme, der Brennpunkt der gesammten Menschengeschichte; weil ich die Wahrheit mir zur Braut erkohr und zur einzigen Gebieterin, auch darüber halte von Amtes und Berufes wegen, daß ihre Stimme, wenn nirgends, so doch wenigstens möge gehört werden in dem Hörsaal der Geschichte, welche, wenn anders nichts, dieß Eine wenigstens ernstmahnend lehrt; daß unbegreiflich Gottes Gerichte seyn, und unausforschlich seine Wege, daß noch nie ein Sterblicher des Herrn Sinn erkannt, und daß Vermessenheit oder Blödsinn sey, sich anzustellen, als habe man in Seinem Rath gesessen .... Darum, nur darum ist es, daß sie mich hassen; darum wüten und toben sie wider mich, darum lästern und verfolgen sie mich, und »können meines Fleisches nicht satt werden;« darum schelten sie mich einen Bonapartisten und Franzosenfreund,[183] und möchten die blinde Menge wider mich aufregen, und würden Brod und Leumund mir rauben, wenn ihnen die Macht dazu gegeben würde. Allein sie wird ihnen nicht gegeben werden; dafür ist mir nicht bange. Ihre Blitze sind nur Kolophonienblicke, und ihre Donner ein Gerumpel mit hohlen Tonnen. Allzu fest ist meine Ehre begründet vor den Edleren unsers Volks, als daß sie könnte versehrt werden durch ihre Ansprützungen. Zu groß ist noch die Zahl der Ruhigen und Würdigen; zu durchgreifend sind am Ende Vernunft und Rechtsgefühl; zu gerecht ist die Nachwelt, als daß die rohen Ausbrüche ihrer fanatischen Wuth meinen Wohlstand erschüttern oder meinen Leumund kränken könnten. Es wird meiner gedacht werden, wann von ihnen längst nicht mehr die Rede gewesen. Es werden leben meine Gesänge mit denen des Haller, Kleist, Uz, Kreuz und Klopstock, wenn die Irrwische und Feuerbrände, die sie unter das Volk schleuderten, längst verdampft und verqualmt sind. Wohl habe ich nie von der Tugend mich benannt, noch ihren ehrwürdigen Namen gemißbraucht zu einem Aushängeschild oder einer Lockpfeife für geheime Vergatterungen; aber ihr Geist ist mir nicht fremd geblieben, ich habe sie zu verherrlichen gestrebt[184] mein Lebelang durch Wort und Lied, ingleichen, soweit die menschliche Gebrechlichkeit es verstattet, durch Thun und Leiden und durch die Darbringung mancher schweren Opfer. Wohl habe ich, mich begnügend, dem deutschen Volk anzugehören, für überflüssig gehalten, mich einschreiben zu lassen in die Rollen des Einen oder Andern jener neugebildeten engeren Vereine, welche vorzugsweise sich die deutschen nennen; weder kleide ich mich in Spenglers oder Pirkheimers Costum, noch zwänge ich mich zu sprechen, wie der Luther sprach, oder zu schreiben, wie das Narrenschiff geschrieben ist, oder zu reimen wie der Theuerdank gereimt worden mit sammt dem Froschmäuseler; dennoch bin ich mir bewußt, ein deutsches Herz in der Brust zu tragen, und wohl ein deutscheres, als jene. Denn unsers Volkes Eigenthümlichkeit ist mit nichten jene schroffe, eckige, scharfkantige, abstossende Absonderlichkeit und Abgeschlossenheit, die sie uns predigen; sie war von jeher, und wird seyn, so lange wir uns selbst getreu bleiben: Universalität, Humanität, die schöne Gabe, uns anzueignen das Gute und Schöne aller Zeit und jeder Zunge, jene gerechte Mitte, welche, wie den Charakter unsrer geographischen Lage also auch den unterscheidenden und achtbarsten Zug ausmacht in unserm geistigen und sittlichen Bilde.

Jedoch ich gedenke, daß geschrieben steht: »Stecke[185] dein Schwerdt in die Scheide; denn wer das Schwerdt nimmt, soll durch das Schwerdt umkommen.« Darum will ich einscheiden das Meinige, und hoffe, von nun an es nimmer wieder ziehn zu dürfen. Denen zu Lieb, welche bisher mir mit Theilnehmung gefolgt sind, will ich itzt noch einige Data ausheben aus den, seit der itzt beschriebnen Epoche mir verstrichnen Lebensjahren, und will damit die Rede und das Buch beschließen.

Es war im August des achtzehnhundert achten Jahrs, als wir in Greifswald eintrafen. Da es nun die Mühe nicht lohnte, während des fast verflossnen Sommerhalbjahrs noch einige Vorlesungen zu geben, so blieben mir noch ein paar Monate übrig, während deren ich nicht nur einer heilenden Muße pflegen, sondern auch zu meinem neuen Beruf mich gebührend vorbereiten konnte. Im October eröffnete ich dann meine Lectionen und zwar habe ich während dieses ersten Semesters die Geschichten der Deutschen erzählt, und des Pindaros Olympische Hymnen erklärt. Ueberhaupt aber habe ich während meiner nun siebenjährigen akademischen Laufbahn sechs und dreißig Curse vollendet, wovon die Hälfte der Geschichte angehört, die übrige Hälfte der Hellenischen Classik, welche zu lehren ich ebenfalls übernommen hatte. Von Griechischen Classikern habe ich interpretirt binnen dieser Zeit: die Ilias und Odyssee, die Pindarischen Hymnen, und die Orestias des Aeschylos; ferner die Biographien[186] des Plutarch, und von den Werken des Demosthenes die Olynthischen und Philippischen Reden, sammt der Rede für die Krone. Anlangend die Geschichte, so habe ich außer der alljährlich wiederkehrenden Weltgeschichte, und Europäischer Staatenhistorie noch folgende specielle Doctrinen abgehandelt: die Urgeschichte, die Geschichte der Hellenen, die der Deutschen und die der Kreutzzüge. Ich habe diese letzteren sämmtlich, und in solcher Vollendung, was Form wie Inhalt anlangt, ausgearbeitet, daß die Hefte fast, wie sie sind, dem Druck übergeben werden könnten. Gleichwohl ist mir nicht möglich, meine Vorträge von den Blättern herunterzulesen. Ich begnüge mich, einen Ueberblick der hauptsächlichsten Daten, Namen und Zahlen, den ich beym ermangelnden Gedächtniß zu Rathe ziehn könne, mit mir in den Hörsaal zu nehmen, und vertraue für die Ausführung der Wärme des Augenblicks und den Eingebungen des Genius. Ich habe gleichwohl empfunden, daß ich zu spät in diese Bahn getreten bin, und daß ich es besser machen würde, wenn ich früher angefangen hätte. Doch scheint auch der vortrefliche Schleiermacher mir allzustrenge zu verfahren, wenn er das funfzigste Lebensjahr bereits als den Wendepunkt festsetzt, wo es dem Akademiker gebühre, aus der Reihe der Redenden sich zurückzuziehn in die Reihe derer, die da hören.

Am funfzehnten August des achtzehnhundert neunten[187] Jahrs ward mir übertragen, den Tag unsers damaligen Beherrschers auf die übliche Weise mit einer Rede im größern akademischen Hörsaal zu begehn. Recht gern unterzog ich mich diesem von vielen abgelehnten Geschäft. Ich glaubte, diesen Anlaß benutzen zu müssen zu einem Versuch, ob mich etwa durch eine ruhige reinhistorische Uebersicht der bisherigen sowohl legislatorischen als heroischen Laufbahn des dermaligen Welterschütterers der Frechheit der Urtheile gesteuert, die schreiendsten Mißverständnisse ausgeglichen, die furchtbar entbrannten Leidenschaften gekühlt, und die auch unter uns bis zu wechselseitiger Anfeindung entzweiten Gemüther, wenn nicht ausgesöhnt, so doch gestimmt werden möchten einander schonend zu tragen. Ich darf mich dann freilich nicht rühmen, auch nur einen dieser Zwecke erreicht zu haben. Ganz im Gegentheil ward mein Absehen meistens verkannt. Motive, die mir gänzlich fremd geblieben, wurden mir untergeschoben; unerbittlicher nur noch ward die mir eigene Ansicht der Dinge verurtheilt, und wie es in Tagen großer Partheiungen zu geschehen pflegt, was ich gesprochen, ward umhergetragen, entstellt, verfälscht, verzerrt bis in das Unglaubliche, Abentheuerliche und Ungeheure. Unter solchen Umständen glaubte ich thun zu müssen, was unter ähnlichen ein Größerer freilich und Besserer, was Johann von Müller gethan. Ich ließ, was ich geredet, drucken, da dann freilich[188] jene Zerrbildner verstummten, den Deutlern und Folgerern aber nur ein um so freyerer Spielraum eröffnet wurde. Ich habe mich das nicht hindern lassen, da die erste Ausgabe bald erschöpft worden, im Januar 1812 einen neuen hin und wieder berichtigten Abdruck zu veranstalten, zu dessen Motto ich die Worte wählte, mit welchen Arrianus die Geschichte Alexanders endigt: »Dieser, achte ich, sey nicht geworden ohne Gott; von den Menschen, die zuvor gewesen, glich ihm keiner.« Zu Gunsten derer, welchen zwar wohl die Verunglimpfungen dieser Rede zu Gesicht gekommen, aber nicht die Rede selber, mag hier ein Bruchstück stehn aus deren letzter Hälfte. Man wird darin prophetisch angedeutet sehn, was, wenn noch nicht gar erfüllt, so doch der Erfüllung nahe gekommen in unsern Tagen.


S. 50. »Es ist zu hoffen, daß der Bund, der bis itzt bescheiden sich nur noch vom Rheine nennt, dereinstens alles Land umfassen werde, was mit deutscher Zunge redet. So oder nimmer mag Einheit kommen in die durch den Unterschied der Regierungen, Verfassungen und kirchlichen Confessionen einander fast fremd gewordnen Theile unsers Vaterlandes. Es mag geschehen auf diese Weise, daß, sich stützend auf den Mächtigsten, so lange sie des Stützpunkts außer sich noch nicht entrathen können, Germaniens hundert Stämme[189] endlich einmal zusammenwachsen zu Einem organischen lebendig gegliederten Körper. Alsdenn wird der Norddeutsche nicht mehr feindlich gegenüber stehn seinem südlichen Bruder. Der Antagonismus wird verschwinden, hervorgerufen durch die Gegensätze des Augsburger Bekenntnisses mit den Satzungen von Trident. Nicht mehr wird die Rede seyn von Sachsen, Baiern, Schwaben, Franken, sondern ein jeder wird sich zu ehren streben mit dem Namen des Deutschen. Nicht länger werden wir uns nennen nach dem Luther, dem Zwingli, oder dem römischen Bischof, sondern sämmtlich werden wir Katholiker seyn in des Wortes ältestem und ächtem Sinn. Gerichtet nach einerlei Recht ein jeder von seines Gleichen, beysteuernd zu den Bedürfnissen des Vaterlandes ein jeglicher nach seinem Vermögen, berechtigt zu ehrender Auszeichnung ein jeglicher nach seinem Verdienst; wieder mächtig geworden des Wortes ... und wer weiß nicht, daß schon öfter ein feuriges Wort eine große That erzeugte! wieder mächtig geworden des Schwerdtes ... und wer begreift nicht, daß solches unerläßlich seyn, in einer Zeit, wo die Welt auf der Degenspitze schwebet! werden wir bald wieder werden, wie die Väter waren; vollmündig, selbständig, uns selber genügend, fremden Schutzes und fremder[190] Bevormundung nicht bedürfend, wohl aber willig und bereit, einem jeden, welcher dergleichen bedürfen möchte, beydes zu gewähren, neidlos, arglos, ohne Mistrauen und ohne Lohnsucht .... Irr' ich, oder seh' ich an der umnachteten Gegenwart fernstem Horizont aufdämmern über Deutschland die Aurora einer schönern Zukunft? Nein, du wirst nicht untergehn, bescheidenste, obwohl gehaltreichste aller Nationen! Heimath des Hermann und des Wittekind, Vaterland des Luther und des Hutten, Mutter, Amme und Pflegerin des Dürer, Balde, Kepler, Leibnitz, Kant, Klopstock, Herder ... Und sollte deiner heute vergessen werden, um dessen allzufrühen Verlust die noch frische Wunde blutet, glaubenwerther Mann, ehrwürdiger Johannes Müller! Nein es ist nicht im Plan des Weltgenius, daß eine Nation, wie die unsrige, ausgetilgt werde aus der Reihe der Menschenfamilien. Es müsse nur ein jeglicher von uns den Glauben bewahren an den Gott über ihm und in seinem Innern! Es müsse nur keiner sich lassen abhanden kommen seinen Antheil an den Tugenden, welche von jeher sind betrachtet worden als des Deutschen angestammtes und bezeichnendes Gepräge, der Zucht und Treue, der Rechtlichkeit, Redlichkeit und Aufrichtigkeit, der Bescheidenheit, Frömmigkeit, Beharrlichkeit,[191] der schwer zu erschütternden Ordnungsliebe, und tiefgewurzelter Ehrfurcht für das, was wahr und recht und heilig! Es müsse unsre Sprache, die da ist keusch, klar, stark, zart, herzlich, kräftig, erweichend beides und erschütternd, von uns nur anerkannt werden in ihrem Werth, und gepflegt und gehütet werden, wie das Palladium unsrer Selbständigkeit! Es müsse das herzliche deutsche Lied, das Lied der Luther, Opitz, Haller, Kleist und Klopstock von uns vorgezogen werden des Auslands noch so lockenden Weisen! Es müsse der Mann nur vorleuchten dem Jüngling in jenem gesetzten Ernst, der dem Deutschen ungleich besser steht, als die Leichtigkeit und Beweglichkeit der Nachbarn! Es müsse der Jüngling frühe sich entzünden an der Väter großem Vorbild! Es müssen, um zu brauchen des Propheten Worte, die Herzen der Kinder nur bekehret werden zu den Vätern, der Völker zu den Fürsten, der Bürger zu den Kriegern, der Laien zu den Nichtlaien, aller Herzen aber ergriffen und vereinigt werden durch einerlei starken Glauben, einerlei feurige Liebe, einerlei begeisternde Hoffnung ... und wahrlich, die Aere unsrer Wiedergeburt wird nicht ferne seyn. Verständigt durch die Erfahrung, geläutert durch das Unglück, erstarkt unter den Stürmen selber, werden wir früher[192] oder später den Rang wieder einnehmen unter den Nationen, welchen der Weltgenius unserm Volke zugedacht zu haben scheint, den Rang eines Ur- und Centralvolks, in dessen Focus alle Strahlen der höhern Bildung zusammen brennen!«


So ahnte ich im achtzehnhundert neunten Jahr. Und wenn in dem laufenden achtzehnhundert funfzehnten, was ich damals ahnte, noch nicht vollständig in die Erfüllung gegangen, so liegt die Schuld weder an dem Gott, noch an unserm Volke!


Am funfzehnten October desselben achtzehnhundert neunten Jahrs bescherte mir Gott einen schönen Tag. Es war der Tag, an welchem ich die Hand meiner Erstgebornen in die Hand meines würdigen Vertreters und Gehülfen legte, und durch dies neue Band unsre Schicksale unauflöslich mit einander verknüpfte. Die väterlichen Worte, welche ich zu den Verlobten geredet, ehe ich das unwiderrufliche Ja von ihren Lippen nahm, und mit dem güldnen Ringe, dem Symbol ewiger Vereinigung, sie vermählte, sind mir noch übrig. Ich finde sie würdig, aufbewahrt zu werden, und werde zu dem Ende sie aufnehmen unter den Beylagen dieses Buchs.


Im Frühling des folgenden Jahrs wurden die freundschaftlichen Verhältnisse wieder hergestellt zwischen Schweden und Frankreich. Unser Canzler, der[193] den Frieden geschlossen, säumte nicht, in unsrer Mitte zu erscheinen, da dann alles nach Stralsund eilte, ihn zu bewillkommen. Ich bin denn auch hingereist, der Letzte so ziemlich von allen, indem ich zuvor glaubte, meine Vorlesungen beendigen zu müssen. Ich hatte die Genugthuung, zu finden, daß der verständige und wohlgesinnte Herr meine Lage vollkommen begriff, und meine Triebfedern gebührend zu würdigen wisse. Er wiederholte mir, was er schon von Paris aus mir geschrieben, daß ihm lieb sey, mich auf der Universität zu wissen, und daß er wünsche, mich derselben zu erhalten. Als ich merken ließ, daß mir nicht thunlich sey, zu bleiben, dafern mir nicht gestattet würde, meine Pfarre auf die bisherige Weise daneben zu verwalten, versicherte mich der Graf, daß ähnliche Vereinbarungen in Schweden etwas ganz gewöhnliches seyn, daß die Sache keine Schwierigkeit haben werde, und daß er zu solchem Zweck sich bey des Königs Majestät verwenden wolle. Die Verwendung erfolgte. Der König, wie zu erwarten stand, ließ das Wort seines Canzlers bey sich gelten. Wenig Wochen verstrichen, und was im Namen des Kaisers mir war verliehen worden, ward durch des Königs Gnade mir bestätigt.

Im Winter des achtzehnhundert eilften Jahrs fand ich Muße eine Arbeit, die ich längst beschlossen, hinauszuführen, eine gründliche Musterung und Sichtung[194] nemlich meiner sämmtlichen metrischen Dichtungen. Ich ließ liegen das Unheilbar-Kränkelnde und Schwächliche, las aus, was mir einen lebendigen Odem in sich zu tragen schien, vieles ist gänzlich umgearbeitet, das gar Alte und Formlose fast neu geschrieben; überall war ich beflissen der Rhythmik, Prosodie und Metrik nachzuhelfen, welche ich, verführt durch die großen frühern Dichter, die freilich für die Mängel der Form durch die Hoheit und Herrlichkeit des Inhalts schadlos hielten, bis dahin über die Gebühr vernachlässigt hatte. Das Ganze, woran, einige Jahre nach einander, unter meinen Augen gedruckt worden, habe ich vertheilt in acht Bände. Jucunde füllt den ersten, den zweyten die Inselfahrt. Der dritte liefert die Legenden; der vierte die Rügischen Sagen, vermehrt mit mehreren von hoher Schönheit, die ich dem alten Ersischen Barden nachgebildet habe. Die vier übrigen stärkern Bände fassen die lyrischen Gedichte, welche von mir mit Rücksicht theils auf den Inhalt, theils auf die Zeitfolge in zwölf Bücher vertheilt worden sind. Diese Ausgabe ist nicht bestimmt, durch den Buchhandel in Umtrieb zu kommen, sondern kann lediglich von mir selbst bezogen werden; es sind mir aber nur noch einige Dutzend Exemplare von ihr übrig .... Da meine Gedichte während der letzten zehn bis funfzehn Jahre, wo ein anderer Geschmack aufgekommen, wenig gelesen worden, (sie werden aber[195] wieder auferstehn, wie ich hoffe, und die Bessern von ihnen werden übrig bleiben) so hat sich bloß noch eine dunkle Ueberlieferung von ihnen erhalten, woran sich knüpft der Nebenbegriff von gewissen diesen Werken anklebenden Mängeln des Ungeschmacks, der Gestaltlosigkeit, der Abentheuerlichkeit, des Uebertriebnen und Ungeheuren, vergesellschaftet mit gänzlicher Versäumniß aller Correctheit und Feile. Es begegnet mir nicht selten, daß ich zu absonderlicher Gemüthsergötzung mich citirt finde, als Beyspiel sämmtlicher itzt benannter Untugenden und Unarten, mit Beziehung auf die älteren, längst verschollenen, und überall nicht mehr von mir anerkannten Ausgaben. Ich muß recht sehr bitten, daß man mich entweder überall verschone mit der Ehre des Citirens, oder wenn es dann doch einmal citirt seyn soll, daß ich möge angezogen werden nach den Lesearten dieser letzten Ausgabe, indem ich, wie gesagt, die älteren nicht mehr als die Meinigen betrachte. Wobey mir nicht unbekannt ist, daß manchem sinnigen Menschen gerade diese ältern Texte mit allen ihren Härten und Rauhheiten, ihren grotesken Bildern, himmelschreienden Metaphern u.s.w. noch immer lieber sind, als die neuern mit ihrer Glätte und Blänke.

Während des achtzehnhundert zwölften, so wie während eines Theils des folgenden Jahrs habe ich das akademische Rectorat zu verwalten gehabt; mithin[196] zu einer schweren Zeit, sintemalen eben damals die französischen Heere zum drittenmal unser Land in Besitz genommen hatten, da es dann an Reibungen zwischen dem eingedrungnen Gouvernement, und zwischen den einheimischen Autoritäten nicht fehlte. Es ist mir jedoch gelungen, allen Eingriffen der Fremden in das Eigenthum und die Rechte der Akademie zu steuern, so wie auch unsre studirenden Jünglinge, die sich im beständigen Conflict mit der usurpirenden Gewalt erhielten, vor den Krallen der leider auch unter uns errichteten sogenannten hohen Polizey zu schützen. Möchte mir nur dasselbe geglückt seyn, in so fern es unsre Exemtionen und Immunitäten betraf, gegenüber den einheimischen Behörden. Wenig Universitäten aber können nachrühmen den Obrigkeiten ihrer Residenzen, was die von Leipzig nachrühmt den ehrwürdigen Vätern ihrer hospitalen Stadt zu deren unvergänglichem Ruhme. Allen übrigen galt der Grundsatz, daß die Noth kein Gebot leide, (wobey sie sich dann vorbehielten, den Fall des eintretenden Nothstandes nach ihrer Willkühr zu bestimmen) und daß der Staat so lange nur gebunden sey durch die übernommenen Verpflichtungen, als er durch deren Leistung nicht in Gefahr gerathe zu Grund zu gehn .... Demosthenes zwar war andrer Meinung. Und es gelang ihm seine Athenäer zu überzeugen, daß, welcher Staat nur durch einen Wortbruch gerettet werden könne, des Rettens[197] überall nicht würdig sey. Siehe seine Rede von den Symmorieen.

Als darnach der siebente October nahte, schien vielen bedenklich, unsers Königs Tag im Angesicht und gleichsam zum Trotz unsrer Dränger zu feyern. Ich aber that, was meines Amtes war, kündigte die Feyer an durch das gewöhnliche Programm und ließ den commandirenden General sammt dem Offiziercorps der bey uns cantonnirenden Truppen dazu einladen durch die sceptertragenden Pedellen. Sie erschienen dann auch sammt und sonders, und beobachteten während der ganzen Handlung die gebührende Stille und Ehrerbietung. Ich aber habe selbst die Katheder bestiegen an diesem Tage, und habe gesprochen zu dessen Feyer die Rede von der Hingebung des Leonidas, aus welcher, da von den wenigen Exemplaren, die ich von ihr abziehn ließ, wohl schwerlich eins über die Gränze gekommen seyn mag, hier ebenfalls das Schlußstück stehen möge zur Probe:


S. 43. »Und also sind sie sämmtlich umgekommen, die Spartaner, wie die Thespiäer, durch mancherley Gestalt des Todes zermalmt die Einen, durchbohrt die Andern; früher diese, später jene; lebendig ist keiner dem Feind in die Hände gefallen ... überwunden keiner! Denn wer möchte die Ueberwundne nennen, welche nicht erlegen sind überwiegender Tapferkeit, sondern einzig der Endlichkeit[198] menschlicher Kräfte. Auch nicht ungerochen fielen sie; denn zwanzigtausend von den Ausländern bedeckten die Wahlstatt. Weniger noch darf gesagt werden, daß sie verblutet wären sonder Nutz und Frommen; denn die Schlacht in den Thermopylea mag betrachtet werden, als die Mutter der späterhin erfolgten Rettungsschlachten bey Salamis und bey Platäa; dem Geist, den das Beyspiel des Leonidas und seiner Braven den Hellenen eingehaucht, ist zuzuschreiben, daß das Griechenland die hundert und funfzig nächsten Jahre hindurch keinen andern Herrn erkannt hat, als den, der im Olympus thronet .... Welches Leben sollte wohl schönere Früchte treiben können, als ein solcher Tod! Und wer dem die große Wahl freygestellt würde, möchte die wenigen Jahre, welche die Natur ihm etwa noch beschieden hätte, nicht willig hingeben um einen solchen Preis! Glückselige Spartaner, euch ward beschieden vor Millionen eurer minder glücklichen Brüder, welche verbluteten für eine ihnen fremde Sache, zu fallen für Altar und Heerd, der Freund an der Seite des Freundes, im begeisternden Gefühl für Freiheit und Vaterland, verlustig zwar des zeitlichen Lebens, jedoch gewiß, ewig übrig zu seyn im Andenken aller kommenden Geschlechter ... Sparta seiner Seits hat seine Söhne geehrt, wie[199] es pflegte, prunklos, wortkarg und einfach. Drey schlichte Steine mit eben so schlichten Inschriften sind, nach des Landes Säuberung und der Vertilgung der Fremden, errichtet worden in dem Paß der Thermopylen. Der erste, bezeichnet den Wahlplatz, wo die Spartaner, gemeinschaftlich mit den Verbündeten wider die Ausländer gestritten hatten. ›Auf diesem Platze, hieß es, haben vier Chiliaden der Hellenen siegreich bestanden den Kampf mit dreimalhundert Myriaden der Meder.‹.. Der zweite stand, wo die Dreihundert gefallen waren. Die mit Recht bewunderte Legende war diese: ›Geh Wanderer, sags an zu Sparta, daß wir hier liegen, gehorsam seinen Gesetzen.‹ Auch Megisthias erhielt seinen Stein. Die Worte sind gefaßt von Simonides: ›Hier liegt Megisthias der Seher. Er wußte die Zukunft. Gleichwohl, als Leonidas zu sterben beschloß, hat ihn des Lebens verdrossen.‹ Auf der Stätte endlich, wo Leonidas gefallen, ward ein steinerner Löwe errichtet, hindeutend auf des Königs Namen und Gesinnung ... Die Thespiäer nur hat kein Stein genannt, jene treuen frommen Eidgenossen, die wohl ein Besseres verdient hätten um ihre Spartanischen Bundesfreunde; denn[200] Eidgenossen solcher Art sind selten gewesen zu allen Zeiten .... Jedoch Herodotos hat ihrer gedacht in seinen unvergänglichen Geschichtbüchern .... Und auch wir wollen ihrer heute gedenken, wir Wenigen und Spatgebornen, die wir aufgespart wurden einem Zeitalter, das im Eingang eines ungleich prüfendern Thermopyle seinen Leonidas erwartet, aber nicht gefunden!«


So habe ich geredet, Angesichts eben derer, wider welche wir eines Leonidas bedurften. Scheel zu sehn zu solcher Freymüthigkeit, mich ihrethalb etwa in Anspruch zu nehmen, ist ihrer keinem eingekommen.


Im März des achtzehnhundert dreizehnten Jahrs schrieb ich, durch die großen Bewegungen des Tages aufgeregt, meine vaterländischen Gesänge. In welchem Sinne, und zu welchem Zwecke sie gedichtet worden, besagt die Vorrede. »Daß auch in ihnen die herrschende Stimmung wiederklingen werde, daß die Rede in ihnen seyn müsse von den Tugenden, die bei so großer Gefahr allein uns retten können, von dem kräftigen Ermannen, dem einmüthigen Zusammentreten, dem redlichen Beieinanderstehn, der unbedingten Hingabe, der männlichen Ausdauer, wird jeder ohnehin erwarten. Neben diesem ersten Nothwendigen aber habe ich auch geglaubt erinnern zu müssen an andere, nicht minder unerlaßliche Bedingungen;[201] an die Grundsätze der Milde und der Schonung, der altritterlichen Großherzigkeit, und jenes Zartgefühls, dem schmerzlicher noch fallen würde, im Edelmuth vom Feinde überwunden zu werden, als in der Tapferkeit; Gesinnungen, welche seit dem Emporkommen der Chevalerie den Krieg entwildert und vermenschlicht hatten, die uns aber gänzlich scheinen abhanden kommen zu wollen bei so gewaltsamer und erbitternder Aufreitzung der Gemüther.« Was weiter folgt, hat dann freilich diejenigen schreien gemacht, die sich getroffen gefühlt, und ist nächst der Napoleonsrede zu betrachten als dasjenige, was hauptsächlich wider mich aufgereitzt jenes Gezücht der Hornisse und Bremsen. Ich meines Theils habe dessen Gesumse und Geschwirre mich nicht hindern lassen, die vierte neu vermehrte Ausgabe der Gesänge auszustatten mit einer Anzahl geschichtlicher sowohl als betrachtender Noten, worin ich meine Meinung über die celebersten Ideen des Tags (um mich eines Ausdrucks unsers verewigten tiefsinnigen Thomas Thorild zu bedienen) ausgesprochen habe noch runder und noch klarer, denn vorhin, mit geziemender Besonnenheit allerdings, zugleich aber auch ohne einige feigherzige Rücksicht. Von den Gesängen selber verdienen einige, namentlich das Te Deum, Letzte Ehre, die Mahnung, die Warnung, die Waage der Gerechtigkeit u.a. dem Besseren,[202] was uns die Zeit in dieser Gattung gebracht hat, an die Seite gestellt zu werden. Nur des ehrwürdigen Tiedge unvergänglichen Zeit-Denkmalen maße ich mir nicht an sie zu vergleichen.

Im Sommer desselbigen Jahrs erhielten wir einen Besuch von dem unlängst auf unsern Küsten eingetroffenen Heerführer der Schwedischen Schaaren, unsers Königs adoptirtem Sohn. In Ermangelung des gerade krank darniederliegenden Rectors lag mir als Prorector ob, dem Prinzen die Gesinnungen der Universität zu verdollmetschen, was ich dann gethan, so weit die Unbehülflichkeit meiner Zunge in den fremden Dialecten es mir gestattete. Auch war ich ersucht worden, ein Gedicht zu machen, was dem Prinzen bey seinem Einzuge Namens der Stadt überreicht werden könne. Ich schrieb dann dieses Gedicht, Französisch erstlich, darnach noch einmal in deutscher Zunge. Es ist kurz und kräftig. Wohl schwerlich mögen dem Fürsten auf irgend einem seiner zahlreichen Einzüge ähnliche Töne entgegengeklungen seyn. Wie sie auf ihn gewirkt, ob er das Gedicht überhaupt nur gelesen, ist mir nicht bekannt geworden.2[203]

Im Herbst desselbigen Jahrs, so wie in dem desnächstfolgenden habe ich denn auch wieder an den Geburtstagen des Königs die herkömmlichen panegyrischen Reden gehalten; und zwar im dreyzehnten die[204] Rede von dem Tage zu Clermont, im vierzehnten die zum Gedächtniß des vor gerade tausend Jahren in seiner Pfalz zu Aachen verblichnen heiligen und seligen Kaisers Karls des Grossen. Diese Reden zu sprechen, gehört zwar nicht zu meinem Berufe. Da uns aber die Professur der Eloquenz und Poesie abgeht, als welche in den Jahren, wo der Realism dem Idealism obsiegte, und das Heil der Welt aus dem Calcul der Physiokraten und Oekonomisten erwartet[205] wurde, mit einem Lehrstuhl der Cameralistik vertauscht worden, so ward denn ich in der Regel ersucht, die Lücke auszufüllen. Nothgedrungen nur unterzog ich mich dem Geschäft, wohlwissend, wie wenig solches denen kleide, welche die Anmuth der Jugend verließ, und welchen die Organe anfangen zu versagen.


Ein und zwanzig Mal habe ich während der itzt durchmusterten Jahre bei den Inauguraldissertationen der Doctoranden präsidirt; achtzehn Mal von jenen drey und zwanzigmalen die von ihnen zu vertheidigenden Dissertationen selbst geschrieben. Ich habe abgehandelt in denselben mannichfaltige Materien, theologischen, historischen, philosophischen und philologischen Inhalts. Ihre Titel können nachgelesen werden in dem Schriftenverzeichniß, was ich, dem Literator zu Lieb, diesem Buche beyzuschließen denke.


Zwey volle Jahre verstrichen, ehe ich mich gestärkt genug fühlte, um ohne Gefahr des Rückfalls mich einmal wieder von Angesicht zu Angesicht besprechen zu können mit meiner geliebten Gemeinde, mit welcher ich freilich nicht aufgehört hatte in fortwährender Verbindung zu bleiben vermittelst der Berichte meines Gehülfen, der Besuche, die von dorther bei mir abgestattet worden, auch eines und andern Hirtenbriefes, welchen ich beym Jahreswechsel an sie abgehn[206] lassen. Als ich nach einer so bedeutenden Zwischenfrist nun zum erstenmal wieder in Person vor ihnen auftrat, war groß von ihrer Seite die Freude, von der meinen die Wehmuth. Die fremden Völker waren mittlerweile abgezogen, der Friede (ein nur allzuvergänglicher!) wiederhergestellt, die Spuren der geistigen und leiblichen Zerrüttung fingen an sich zu verlieren. Ich meines Theils war meinem Volke durch die Abwesenheit nur noch werther und ehrwürdiger geworden, und die Worte, die ich nach so langem Schweigen nun zum erstenmal ihnen wieder an das Herz legte, schienen mit zwiefacher Kraft auf sie zu wirken. Ich habe dann auch in der Folge meine Besuchungen minder selten und sparsam seyn lassen, zumal da die Beklemmung, welche zu Anfange mich noch anzutreten pflegte in den Umgebungen, wo ich so viel erlitten, sich späterhin verlor. Ich habe dann jedesmal an den Vormittagen des heiligen Dienstes gepflegt in Gemeinschaft mit meinem Gehülfen; in den nachmittäglichen Stunden aber die Kindlein der Gemeinde um mich her versammelt, als mit welchen mich zu unterreden, ihre Erkenntniß zu prüfen, ein und anderes mahnendes Wort zu ihnen zu sprechen, schließlich aber dem großen Menschen- und Kinderfreunde diese seine Lieblinge segnend an das Herz zu legen allzeit zu meinen erquickendsten und erhebendsten Geschäften gehörte .... Mit Rührung übrigens und zu[207] meiner innigsten Beruhigung habe ich wahrgenommen bey jedem späteren Besuche, wie das Vertrauen der Gemeinde zu ihrem jüngern Lehrer und Seelsorger fortwährend in steigendem Wachsthum begriffen sey. So gänzlich und vollständig hat mein würdiger Eidam diesen meinen Pflegbefohlnen mich ersetzt, daß sie, welche in den erstern Jahren sich noch häufig an mich selber wandten, schriftlich die Einen, mündlich die Andern, nach und nach gänzlich aufgehört haben, mit ihren Angelegenheiten mich zu behelligen, indem sie genug des Rathes und des Trostes an dem Orte fanden, wo sie dergleichen zu suchen und zu finden, von den Vätern her gewohnt gewesen.


»Wie soll ich dem Herrn vergelten alle Wohlthat, die er an mir gethan? Ich will den heilsamen Kelch nehmen, und des Herrn Namen predigen. Ich will meine Gelübde dem Herrn bezahlen vor allem seinen Volk.« ... Eben während des laufenden achtzehnhundert funfzehnten Jahrs hat der Allgütige mich eine gedoppelte große Freude erleben lassen an meinen lieben Kindern. Meinem einzigen Sohn, welcher, nachdem er die Theologie nebst andern Disciplinen gründlich und tüchtig bey uns studirt, mehrere Jahre im Auslande, hauptsächlich jedoch zu Paris dem Studium des Orients obgelegen, und in dessen Sprachen und[208] Literatur, wie die von ihm erschienenen Probeschriften beweisen, sich eine nicht gemeine Kenntniß angeeignet, ward im Januar von dem hochwürdigen Canzler unsrer Universität, dem Grafen von Essen, die ordentliche Adjunctur bey zweyen unsrer Facultäten, der Theologischen und Philosophischen, unter den ehrenvollsten Aeußerungen verliehn; welche frühe Begünstigung (denn kaum erst hatte er das zwey und zwanzigste Jahr vollendet), er nicht aufhört, durch die Mannigfaltigkeit und Gründlichkeit seiner starkbesuchten Vorlesungen zu rechtfertigen .... Was aber in Betracht der Umstände noch wichtiger für mich, und noch beruhigender, ist dieses: daß eben itzt auf meine Bitte und der Gemeinde dringende Verwendung, welche mit ihrer vollgültigen Empfehlung zu unterstützen, die preiswürdige Regierung des Landes unter dem Vorgang Ihres Durchlauchtigen Chefs, des Fürsten und Herrn zu Putbus, keinen Anstand genommen, meinem geliebten Eidam und Gehülfen von des Königs Majestät mittelst offenen Briefes und ordentlicher Vollmacht (ausgestellt Stockholmsschloß unterm 28sten Julius 1815) die förmliche Substitution auf das Altenkircher Pastorat verliehn, und zugleich die dermaleinstige Nachfolge in allen davon abhängigen Gerechtsamen und Genüssen zugesichert worden.


Diese für mich und die Meinigen so wichtige Angelegenheit[209] war auf einem so würdigen Wege, und mit solcher Leichtigkeit und Schnelligkeit zu Stand gekommen, daß wir allzeit Ursach haben werden, uns dessen zu erfreuen. Am fünf und zwanzigsten Julius waren unsre Papiere angelangt bey Hofe, und schon am acht und zwanzigsten war die Ernennung erfolgt. Ein Freund in Stralsund schrieb mir, daß die Vollmacht eingetroffen sey. Ungesäumt fertigte ich einen Boten ab an meine Kinder, um diesen die gewünschte Zeitung mitzutheilen. »Freuen Sie sich, schrieb ich, lieber Sohn. Jene schöne und geliebte Rahel, um wel che Sie, ein gläubiger Jakob, sieben lange arbeitvolle Jahre dienten, ist nun durch Gottes und des Königs Gnade die Ihre. Mögen Sie, gleich einer geschmückten Braut, dem himmlischen Bräutigam sie dermaleinstens mit hellschimmernder Lampe entgegen führen!« u.s.w. Ich kann nicht umhin, einiges auszuziehn aus der Antwort meiner Tochter. »Lieber Vater, schreibt sie, welch eine Zeitung ist doch die, welche wir so eben empfangen haben vermittelst deines Boten. Baier und ich, wir kamen eben aus der Kirche als der Bote uns entgegen trat mit deinem Briefe. Baier, ohne von dem Inhalt das Mindeste zu ahnden, nahm den Brief mit sich auf sein Zimmer. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder. In meinem Leben habe ich Baier nicht so bewegt gesehn. Mit Innigkeit umschloß er mich und die Kinder. Kaum hatte er die Kraft[210] mir anzukündigen, daß unsre Wünsche erhört, und daß wir nun versorgt seyn für immer. Wie ward mir doch zu Muthe, lieber Vater, in diesem Augenblick. Eine lange Weile standen wir, einer an das andere gelehnt, und weinend vor Rührung und vor Freude. Allwill aber, verwundert und betreten zugleich, fragte, was uns fehle .... Gepriesen sey der Allgütige, der des Königs Herz bewegte zur Gewährung unsrer Bitte! Und gesegnet sey der großmüthige Fürst, dessen Verwendung wir nächst der göttlichen Fügung dieses große Glück verdanken. Nichts bleibt hinfort uns zu beten übrig, als daß der Allmächtige dich, lieber Vater, uns nun noch viele, recht viele Jahre erhalten möge!« u.s.w .... In gleichem Sinne schrieb mein Eidam mir, daß gerade an diesem Sonntage die diesjährigen Ufergottesdienste seyn eröffnet worden; daß er hingefahren sey unmittelbar nach empfangner Zeitung; daß die Versammlung sehr zahlreich, und fast alle Eingepfarrte zugegen gewesen; daß er nach geendigtem Gottesdienste die Angesehensten der Gemeinde bey Seite genommen, und sie vorläufig von seiner Ernennung unterrichtet habe, da dann auch diese ihm mit großer Herzlichkeit Glück gewünscht, und ihre Theilnehmung auf die rührendste Weise bezeugt hätten.


Eben itzt da ich dieses schreibe, bin ich zurückgekehrt aus Rügen, wohin ich gereiset war, um der[211] zweyten feyerlichen Institution meines Gehülfen, als nunmehrigen Pastors der Gemeinde, durch des verewigten Schlegel verdienstvollen Nachfolgers, den verehrungswürdigen Generalsuperintendenten Ziemßen, beyzuwohnen. Diese eben so erweichende, als erhebende Feyer ist vollzogen worden am letztverfloßnen ein und zwanzigsten Trinitatis-Sonntag. Lange schon vor der neunten Frühstunde war die Gemeinde versammelt. Kaum mit der ersten Stunde des Nachmittags sahe sie sich wieder entlassen. Da war keiner gleichwohl, der während einer so langen Zeit einige Ungeduld verrathen, oder auch nur durch ein leises Geflüster die ehrerbietige Stille gestöret hätte .... Als aber itzt die Hymnen gesungen, die Predigt gesprochen, die weihenden Gebräuche vollzogen waren; als der nunmehr neubevollmächtigte und aufs neue eingesegnete Christusbotschafter sich anschickte, die heilige Communion zu verwalten; als in demselben Augenblick angestimmet ward von dem vollen Chore jenes Lied der Lieder, die Blüthe des Bibelgesanges, worin concentrirt worden der potenzirteste Geist aller Mystik und Anagogik, das Lied: Wachet auf ruft uns die Stimme; als zumal die Gemeinde itzt ausbrach in des Liedes zweyte Strophe: »Zion hört die Wächter singen; Das Herz thut ihr vor Freuden springen; Sie wachet, und steht eilend auf. Ihr Freund kömmt vom Himmel[212] prächtig, Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig; Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf. Nun komm, du werthe Kron! Herr Jesu, Gottes Sohn! Hosianna! Wir folgen all Zum Freudensaal, Und halten dort das Abendmahl.... Als, sage ich, diese Töne, diese Bilder, diese Offenbarungen mir in das Innerste drangen ....«


Ich muß abbrechen .... Ich lege die Feder nieder .... Ich schweige.


Ich vergebe denen, die zu der Sünde mich verleiteten, ein ganzes Buch zu schreiben von mir selber. Sie zu wiederholen, diese Sünde, soll von nun an keiner mich verführen.


In der That dürfte auch, was das Aeußere anlangt, in Zukunft wenig mir begegnen können, was die Mühe des Erzählens lohnte. Beruhigt durch Gottes und des Königs Gnade über die Zukunft meiner geistigen, wie meiner leiblichen Kinder, bleibt fortan nichts zu wünschen mir übrig, als daß mir gestattet werde, für meine letzten müden Jahre aus den Geschäften mich zurückzuziehn, und einige Zwischenfrist der Einkehr und der Selbstbetrachtung einschieben zu dürfen zwischen dem Getümmel des Lebens und dem langen ernsten Schweigen der Ewigkeit. Vertrauend der göttlichen[213] Barmherzigkeit, und mich stützend auf das Verdienst des Erlösers, werde ich, wenn dann die lange Nacht hernieder wallt, den Hirtenstab in Frieden niederlegen, mir aneignend jene tröstenden Worte:


»Du aber, Daniel, gehe hin bis das Ende komme, und ruhe, daß du aufstehest in deinem Theil, am Ende aller Tage!«

Fußnoten

1 Und was anlangt diese »reiche Pfründe,« deren vermeintlich nicht zu erschöpfende Einkünfte unzarte Menschen mir aufzurücken nicht aufhören, so gestehe ich dankbarlich, daß ich mehr habe, als ich bedarf, und mehr, als ich verdiene; aber beydes, dächte ich, liesse sich ermessen. Es fließen die Einkünfte des Pastorats theils aus den Ländereien, theils aus den Kornzehenden; und beyde sind beträchtlich. Allein die Ländereien fand ich verpachtet kaum um die Hälfte ihres Werthes, und ich achtete meiner würdig, es zu lassen bey dem Alten. Das Getreide ward nach Stralsund versandt an den Kaufmann, der allzeit auszusetzen fand an diesen Körnern, und mir gab was ihm eben beliebte. Baarer Gehalt wird nicht gegeben, und die sogenannten Accidenzien sind, wie recht und billig, so gesetzt, daß sie das Volk nicht drücken. Was auch so herauskam, war immer noch beträchtlich genug; und ich habe denn damit hausgehalten, wie zu erwarten steht von einem Menschen, der wohl zehnmal in seinem Leben einen Anlauf genommen, und sich vorgesetzt, von nun an recht gründlich Buch zu halten über Einnahme und Ausgabe, und nie hinausgekommen mit dieser Buchhalterey über die dritte oder vierte Seite seiner noch so zierlich eingebundnen und noch so sauber linirten Hefte. Auch muß bedacht werden, daß, was einging, nicht etwa mir allein gehörte, sondern daß ich es zu theilen gehabt sechzehn Jahre hindurch mit dem Diaconus und mit der Wittwe meines Vorfahren. Was etwa sonst geschehen seyn mag, (und was mir zum Verdienst zu rechnen, mir nicht einfällt; denn ich that es, weil ich eben es nicht lassen konnte, also zu thun) möge lieber ausgesprochen werden mit den Worten eines Alten ... »Ἐν δε τοις ἰδιοις, εἰ μη παντες ἰςε ὁτι κοινος, και φιλανϑροπος, και τοις δεομενοις ἐπαρκων, σιωπω, και οὐδεν ἀν ἐιποιμι, οὐδε παρασχοιμην ἀν περι τουτων οὐδεμιαν μαρτυριαν, οὐτ᾽ εἰ τινας ἐκ των πολεμιων, οὐτ᾽εἰ τισι ϑυγατερας συνεξεδωκα, οὐτε των τοιουτων οὐδεν. Και γαρ οὐτω πως ὑπειληφα Ἐγω νομιζω, τον μεν ἐν παϑουτα, δεινμεμνησϑαι τον παντα χρονον, τον δε ποιηραντα εὐϑυς ἐπιλελησϑαι, εἰ δει τον μεν, χρηςον, τον δε, μη μικροψυχου ποιειν ἐργον ἀνϑρωπου. Το δε τας ὶδιας εὐεργεσιας ὑπομιμνησκειν και λεγειν, μικρου δειν ὁμοιον ἐςι τῳ ὀνειδιζειν. Οὐ δη ποιησω τοιουτον οὐδεν, οὐδε προαχϑησομαι, ἀλλ᾽ ὁπως ποϑ᾽ ὑπειλημιμαι περι τουτων, ἀρκει μοι.«

Demosthenes von der Krone, Cap. 81.


2 Es steht in den Vaterländischen Gesängen vierter Ausgabe, und da diese innerhalb der Gränzen unsrer Provinz erschöpft worden, so möge es auch hier stehn; doch nur in der deutschen Umbildung.


Fürst sonder Furcht und Trug, du kommst zum lauern Süden

Fernher vom starren Nord, zu fördern Ruh und Frieden,

Zu schlichten jeden Zwist, zu sühnen alle Wuth,

Den Trutz willst du bekämpfen,

Gewalt und Frevel dämpfen,

Der Frommen Hort und Hut!


Bis uns willkommen dann! Und Gott der Herr sey gnädig

Dem das du willst und wirkst! Der Bande los und ledig

Werd' unser Volk durch dich! Mögst du mit reiner Hand

Der Zwietracht Thor verriegeln,

Der Rache Schlund versiegeln,

Held, bis zum Weltenbrand!


Mögst du vom Untergang der Menschheit Trümmer retten!

Geling' es dir, den Feind, den Argen, anzuketten!

Stift' ein atlantisch Reich! Pflanz' einen Gottesstaat!

Und schimmern soll dein Name

Und wuchern soll dein Saame,

Fürst, gleich der Sternensaat!


Wer ist es, sagt mir an, wer ist der Recht' und Eine,

Der Gottes Bild noch trägt in seiner Treu und Reine?

Der Held ists, der zugleich kindlich und fromm und mild!

Der Wüthrich wird zerstäuben;

Der Gütige wird bleiben,

Denn er trägt Gottes Bild!


Die ihr auf Thronen prangt, um bald im Staub zu modern,

Der Könige König wird vor seinen Stuhl euch fodern,

Prüfend so Schrot als Korn, ein strenger Waradein.

Er schürt der Schmelzglut Flammen,

Nur er mag euch verdammen,

Nur er mag euch verzeihn!


Weh, Krieger, über dich, dem ob dem kalten Morden

Das Eingeweid zu Stein, zu Stahl die Brust geworden,

Dem nie die Wimper naß und nie das Herz wird weich!

Nicht mag der Lorber dauern

Um den die Völker trauern;

Ihr Jammer wäscht ihn bleich!


Fürst sonder Trutz und Trug, magst du den Ruhm erneuern

Des, der bey Lützen stritt, den Deutschlands Hymnen feyern,

Weil er den Unhold schlug, vor dem der Welt gegraut!

Held, laß die Banner fliegen;

Denn schier in letzten Zügen

Liegt Deutschland, deine Braut!


Quelle:
Kosegarten, Ludwig Gotthard: Geschichte seines fünfzigsten Lebensjahres. Leipzig 1816.
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