[213] Duobus litigantibus tertius gaudet

oder


Der Grenadier und sein Mädigen36.

Es war einmal ein Grenadier

Vom ersten Regimente,

Der führt sein Mädigen spatzier',

Sieh, da begegnet ihm ein Kür-

:,: Rassier, ein Stabstrompeter,

Und blies als wie das Wetter. :,:


Als der das Mädigen erblickt,

Die einstens sein gewesen,[213]

Da schimpft er sie auf grobe Weis',

Und sagt Herr Grenadier, so scheis-

:,: Lich kann's kein Mädigen geben,

Da wett' ich Sie mein Leben. :,:


»Mein Mädigen schimpft er nimmermehr,

Sonst sag' ich Sie was anders;

Verstehst du mich, denn das wär schön,

Wenn sich von Euch müßt gar ein Gren-

:,: Nadier beschimpfen lassen.

Auf offenbarer Straßen.« :,:


Ich schimpf' nicht Dir, Herr Grenadier!

Ich schimpf' nur diesen Besen;

In München dras vorm Angerthor

Da war sie schon einmal im Por-

:,: Tell bei der Madam Meyer,

Gar nicht einmal sehr theuer. :,:


Darüber weint die Schönste sehr

Und fand sich affrantirli.

Der Grenadier schließt sie in Arm,

Und ließ dann einen ziemlich war-

:,: Men Kuß auf ihre Wangen

Mit zärtlichem Verlangen. :,:
[214]

Und spricht hierauf zum Kürassier:

Mein Freund, itzt halt Er 's Maule!

Ich komm heut noch vor's Isarthor

Auf d'Wach, dann werd' ich Seinem Kor-

:,: Poral die Sach berichten,

Der wird den Handel schlichten. :,:


Da springt der Kürassier vom Pferd,

»Was, Er will mich verklagen?«

Sie raufen da mit größtem Muth –

Auf einmal kommt ein junger Stud-

:,: Josus angelaufen,

Und sieht die beiden raufen. :,:


Und nimmt das Mädigen bei der Hand

Und geht mit ihr spatzieren;

Durch Wiesenthal und Wald und Flur,

Und sprach: Du Süße, Liebe! Hur-

:,: Tig komm und sei hübsch frohe

Beim Tanz in Hesselohe. :,:


Doch merkt es euch ihr jungen Leut',

Und denkt an meine Worte.

Wenn zwei sich streiten um die Sach,

So kommt ein Dritter, der schon schmach-[215]

:,: Tet wochenlang mit Sehnen,

Sich wacker zu verbrennen. :,:


Drum hatt' auch der den wahren Preis,

So wie das Sprichwort meldet;

Aus lauter Herzens-Sympathie

Trug er davon den größten Tri-

:,: Per, andern zum Exempel,

Drum laßt den Venustempel. :,:

36

Nach beliebiger, aber stets origineller Protzen-Melodie besonders aber die gebrochenen Reime, z.B. Kür- etc. recht hinausgezogen und die letzten zwei Verse dann im Chor repetirt.

Quelle:
D. C. Müller: Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Rorschach 1853, S. 213-216.
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