11.1

[757] Manche, des Todes, entstand ruhig geordnete Regel,

weiterbezwingender Mensch, seit du im Jagen beharrst;

mehr doch als Falle und Netz, weiß ich dich, Streifen von Segel,

den man hinuntergehängt in den höhligen Karst.
[757]

Leise ließ man dich ein, als wärst du ein Zeichen,

Frieden zu feiern. Doch dann: rang dich am Rande der Knecht,

– und, aus den Höhlen, die Nacht warf eine Handvoll von bleichen

taumelnden Tauben ins Licht... Aber auch das ist im Recht.


Fern von dem Schauenden sei jeglicher Hauch des Bedauerns,

nicht nur vom Jäger allein, der, was sich zeitig erweist,

wachsam und handelnd vollzieht.


Toten ist eine Gestalt unseres wandernden Trauerns...

Rein ist im heiteren Geist,

was an uns selber geschieht.

1

Bezugnehmend auf die Art, wie man, nach altem Jagdgebrauch, in gewissen Gegenden des Karsts, die eigentümlich bleichen Grotten-Tauben, durch vorsichtig in ihre Hohlen eingehängte Tücher, indem man diese plötzlich auf eine besondere Weise schwenkt, aus ihren unterirdischen Aufenthalten scheucht, um sie, bei ihrem erschreckten Ausflug, zu erlegen.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 757-758.
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